# taz.de -- Proteste gegen Wahlergebnis in Ägypten: Wahlkampfbüro in Kairo an… | |
> Es hat angeblich massive Stimmkäufe bei der ägyptischen Präsidentenwahl | |
> gegeben. Kurz nach Bekanntgabe der Ergebnisse brachen in mehreren Städten | |
> Proteste los. | |
Bild: „Egypt is for all, President Ahmed Shafiq“ steht auf den Plakaten –… | |
KAIRO dpa/rtr | In mehreren ägyptischen Städten sind nach der Bekanntgabe | |
der Ergebnisse aus der ersten Runde der Präsidentenwahl Proteste | |
ausgebrochen. Wütende Demonstranten griffen am späten Montagabend in Kairo | |
das Wahlkampf-Hauptquartier des Kandidaten Ahmed Schafik an und legten | |
Feuer. | |
Der frühere Luftwaffenchef und letzte Ministerpräsident des gestürzten | |
Präsidenten Husni Mubarak wird sich als Zweitplatzierter Mitte Juni in | |
einer Stichwahl dem Kandidaten der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, | |
stellen, der in der ersten Runde laut Wahlkommission die meisten Stimmen | |
erhielt. | |
In der Nacht zum Dienstag versammelten sich Tausende auf dem zentralen | |
Tahrir-Platz, um gegen den Ausgang der ersten Wahlrunde zu protestieren, | |
die sie als unfair und nicht repräsentativ kritisierten. Der arabische | |
Nachrichtensender Al-Dschasira berichtete von bis zu 2.000 Demonstranten. | |
Vereinzelt sei es zu Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der | |
verschiedenen politischen Lager gekommen. Proteste wurden auch aus anderen | |
Städten wie Alexandria und Suez gemeldet. | |
Gegner Schafiks, die in dem 70-Jährigen vor allem einen Vertreter des alten | |
Regimes und der seit dem Sturz Mubaraks im Februar 2011 herrschenden | |
Militärs sehen, legten nach Berichten arabischer Sender in einem Gebäude | |
seines Hauptquartiers in Kairo Feuer und warfen Fensterscheiben ein. Der | |
Brand konnte demnach aber schnell gelöscht werden. Verletzte habe es nicht | |
gegeben, hieß es bei Al-Dschasira. | |
Die Wahlkommission hatte am Montag die offiziellen Ergebnisse der ersten | |
Wahlrunde bekanntgegeben. Demnach erhielt der Islamist Mursi mit knapp 5,8 | |
Millionen die meisten Stimmen, gefolgt von Schafik, der auf 5,5 Millionen | |
Stimmen kam. Die Wahlbeteiligung lag bei 46 Prozent. Die Stichwahl findet | |
am 16. und 17. Juni statt. | |
## Schwere Vorwürfe gegen die Wahlkommission | |
Die Wahlkommission wies Wahlanfechtungen von fünf unterlegenen Kandidaten | |
als „grundlos“ ab. Die Beschwerdeführer hatten Verstöße gegen die | |
Wahlordnung sowie unstatthafte Wählerbeeinflussungen und massiven | |
Stimmenkauf zur Sprache gebracht. | |
Unter den Beschwerdeführern gegen den ersten Wahlgang war der linke | |
Kandidat Hamdien Sabbahi, der mit 4,8 Millionen Stimmen überraschend auf | |
dem dritten Platz gelandet war. Er beanstandete auch, dass Schafik | |
eigentlich von der Wahl hätte ausgeschlossen werden müssen. Er berief sich | |
darauf, dass die Wahlordnung vorsieht, dass Vertreter des alten Regimes | |
nicht wählbar sind. | |
Der gemäßigte Islamist und Ex-Muslimbruder Abdel Moneim Abul Futuh, dessen | |
Beschwerde von der Wahlkommission ebenfalls abgewiesen wurde, sagte in | |
Kairo, die Wahl sei „nicht sauber“ gewesen. „Ich hatte gehofft, sie würde | |
zumindest so fair und korrekt sein wie die Parlamentswahl (zur | |
Jahreswende). Sie war es nicht.“ Abul Futuh, den Meinungsforscher vor der | |
Wahl als Favoriten gehandelt hatten, kam mit knapp 4,1 Millionen Stimmen | |
nur auf den vierten Platz. | |
## Muslimbruderschaft wirbt um Verlierer | |
Die beiden Bestplatzierten brachten sich bereits für den Endspurt in | |
Stellung. „Ich verspreche allen Ägyptern eine neue Ära“, erklärte Schafik | |
am Samstag in Kairo. Die Muslimbruderschaft umwarb indes einige der in der | |
ersten Runde unterlegenen Kandidaten. Unter anderem sollen ihnen die | |
Vize-Präsidentschaft und wichtige Posten in der nächsten Regierung | |
angeboten worden sein, falls sie ihre Anhänger im Juni zur Wahl Mursis | |
aufriefen. Sabbahi und Abul Futuh erklärten, in keinerlei Verhandlungen mit | |
den Muslimbrüdern zu stehen. | |
Aktivisten der Aufstandsbewegung, die den Sturz Mubaraks bewirkt hatte, | |
zeigten sich bitter enttäuscht über einen Wahlausgang, der den Bürgern nur | |
noch die Wahl zwischen einem Mubarak-Mann und einem frommen Islamisten | |
belässt. Einige von ihnen hatten die Wahl von vornherein boykottiert, | |
andere ihre Stimme dem Linken Sabbahi oder dem mit wenig Chancen | |
angetretenen Aktivisten Chalid Ali gegeben. | |
Die meisten Organisationen der sogenannten Revolutionsjugend neigen nun | |
dazu, zur Wahl Mursis aufzurufen. Gegenüber dem Ex-Regime-Mann Schafik | |
betrachten sie ihn als das „geringere Übel“. | |
29 May 2012 | |
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