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# taz.de -- Dokumentation „Nach der Stille“ in der ARD: „Wir haben ihn ni…
> Wenn Talkshows sommerpausieren, hat die ARD endlich Zeit für Dokus. Etwa
> über die Begegnung einer israelischen Witwe mit der palästinensischen
> Familie des Attentäters.
Bild: Der Film ist anrührend und hat eine versöhnliche Botschaft.
Die Worte aus dem Off stehen am Anfang und am Ende des Films: „Ja, ich bin
seine Mutter. Was hätten wir tun können? Wir haben ihn nicht geschickt. Er
war 24. Er hat gesagt, er geht zur Arbeit. Und dann haben wir es im
Fernsehen gesehen. Er hat mir nicht gesagt, was er vorhatte.“
Was er vorhatte: Am 31. März 2002 verübte der Palästinenser Shadi Tobassi
ein Bombenattentat, ein Selbstmordattentat auf ein Restaurant in Haifa.
Dabei starb auch der Architekt Dov Chernobroda, ein Israeli, der sich für
die Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern engagiert hatte. Er
aß gerade zu Mittag. Diese Geschichte erzählt „Nach der Stille“ als sorgs…
inszenierte Annäherung und Begegnung der Familien Chernobroda und Tobassi.
Sommerzeit ist Dokumentarfilmzeit, zumindest in der ARD. Als Günther Jauch,
der nach eigenem Bekunden dokumentarisches Fernsehen schätzt, für eine
fünfte Polit-Talkshow zur ARD wechselte, fiel durch die anschließende
Programm-Rochade ein letzter Sendeplatz für anspruchsvolles
Dokumentarisches im Ersten weg. Anlass für ein paar grundsätzliche
Diskussionen über den Stellenwert der dokumentarischen Sendeformen im
öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Jüngst wurde ein offener Brief an
ARD-Programmchef Volker Herres verschickt, in dem Dokumentarfilmer Anspruch
auf Gottschalks frei werdenden täglichen Sendeplatz anmelden wollten.
Einstweilen macht Sandra Maischberger bis Ende Juli Sommerpause und tritt
ihren Sendeplatz ab. Der Dokumentarfilm als Lückenbüßer, das ist der Status
quo in der ARD.
Dass Dokumentarfilme erhellender sind als das redundante Geplapper der
Talkshow-Papageien, wird also in den kommenden Wochen an vermutlich jedem
Dienstagabend aufs Neue festzustellen sein. Zum Beispiel dank „Nach der
Stille“.
Dieser Film hat einen Vorläufer. 2008 begleitete Marcus Vetter für die Doku
„Das Herz von Jenin“ einen Palästinenser, der die Organe seines von
israelischen Soldaten erschossenen Sohnes an israelische Kinder spendet und
später die Familien dieser Kinder besucht. Den Anstoß zu „Nach der Stille“
nun hat Dov Chernobrodas Witwe Yaël gegeben, mit einem Brief an Vetter. Der
hat das Projekt dann an Stephanie Bürger und Jule Ott weitergereicht. Es
wurde das Erstlingswerk der beiden jungen Dokumentarfilmerinnen.
Die langwierige Organisation der Begegnung ist Teil der Erzählung dieser
Dokumentation. Autofahrten und Tischgespräche. Immer wieder wird aus
Briefen zitiert, auch aus denen der Regisseurinnen: „Liebe Yaël, bis zum
Schluss haben wir versucht, eine Genehmigung für Manael zu bekommen, aber
die Behörden lassen sie nicht nach Israel einreisen. (…) Es kommt uns so
vor, als sei es Taktik, die Leute mürbe zu machen, bis sie irgendwann
aufgeben, überhaupt noch Reisegenehmigungen zu beantragen.“
Der Film von Bürger und Ott ist natürlich anrührend und hat eine
versöhnliche Botschaft. Die Palästinenserin Manael Abdallah wird zu Beginn
des Films als Dolmetscherin engagiert, bald aber per Einblendung
„Co-Regisseurin“ genannt. Sie reflektiert darüber, wie Palästinenser den
Film sehen werden: „Die Idee dieses Films ist schwach. Menschen, die keine
Ahnung haben, was hier in Palästina passiert, werden denken, dass die
Israelis diejenigen sind, die Frieden wollen. Nach dem Motto ’Okay, er hat
meinen Mann umgebracht, er hat sich in die Luft gesprengt und 15 Menschen
getötet – aber wir wollen trotzdem Frieden‘.“
Es spricht für den Film, dass in ihm Platz ist für so eine defätistische
wie vermutlich realistische Prognose.
„Nach der Stille“, Dienstag, 29. Mai, 22.45 Uhr, ARD
29 May 2012
## AUTOREN
Jens Müller
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