# taz.de -- Oberleitungen für Autobahnen: Nicht so abwegig, wie es klingt | |
> Ungewöhnlicher Vorschlag des Umweltrats: Lastwagen fahren mit Ökostrom – | |
> wie Trolleybusse. Das könnte die Lösung für den umweltschädlichen | |
> Güterverkehr sein. | |
Bild: Zukunftsvision? Lastwagen befördern ihre Güter über die Autobahn – … | |
BERLIN taz | Liebhaber des Busfahrens kennen ihn: den Trolleybus. Verbunden | |
mit einer Oberleitung, ruckelt er als Mischung zwischen Bus und Straßenbahn | |
durch viele Städte, vor allem in Osteuropa, aber auch in der Schweiz, in | |
Frankreich, in Solingen und in Eberswalde. | |
Nun hat der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), ein | |
Beratungsgremium der Bundesregierung, sich diese Technik vorgenommen – und | |
schlägt sie als Lösung für eines der großen Probleme im Umweltschutz vor: | |
den Güterverkehr. Denn in Deutschland entstehen durch den Transport von | |
Waren große Mengen schädlicher Klimagase: jährlich allein 67 Millionen | |
Tonnen Kohlendioxid, Tendenz steigend. Das ist ein „substanzieller Anteil“ | |
an den CO2-Emissionen in Deutschland. | |
Immer mehr Fracht wird kreuz und quer über den Globus befördert. Experten | |
schätzen, dass sich der Güterverkehr in der Bundesrepublik in den nächsten | |
40 Jahren verdoppeln könnte. Am Montag präsentierte der Umweltrat in Berlin | |
seinen Lösungsvorschlag: Oberleitungen für Autobahnen. | |
Zunächst 5.000 Kilometer Autobahnen, von der A 1 bis zur A 9, könnten mit | |
Stromleitungen versorgt werden, sagt Olav Hohmeyer, Professor für Energie- | |
und Ressourcenwirtschaft an der Universität Flensburg und Mitglied des | |
Sachverständigenrats. Die Idee sei nicht so abwegig, wie sie klinge, | |
erläutert er: Nur 17 Prozent der Güter reisen derzeit per Bahn, 10 Prozent | |
auf Wasserwegen. Der überwältigende Anteil von 70 Prozent des Verkehrs auf | |
der Straße wird betrieben mit stinkendem und zunehmend knappem | |
Dieselkraftstoff. Frühere Pläne, Erdöl durch Pflanzenkraftstoff zu | |
ersetzen, erwiesen sich als nicht durchsetzbar. Grund: Zu viel | |
landwirtschaftliche Fläche würde verbraucht, um die dafür nötigen | |
Energiepflanzen anzubauen. Außerdem funktioniert der Ackerbau in intensiver | |
Landwirtschaft bislang auch nur mit Hilfe von Düngemitteln und Kraftstoffen | |
auf Erdölbasis. Gleichzeitig sind Lkws für Elektroantriebe zu schwer. | |
Auch die Forderung „mehr Güterverkehr auf die Schiene“ greife zu kurz: | |
„Selbst Experten mit optimistischen Prognosen schätzen, dass sich nur die | |
Hälfte des Lkw-Verkehrs auf die Schiene verlagern lässt“, sagt Hohmeyer. | |
Fazit: „Wenn der Verkehr nicht zum Strom kommen kann“, so der | |
Umweltwissenschaftler, „dann muss der Strom zum Verkehr kommen.“ Die Kosten | |
schätzt er auf etwa 1,5 Millionen Euro pro Kilometer. Bei 5.000 Kilometern | |
Oberleitungen würde das 7,5 Milliarden Euro kosten. | |
Im Bundesverband Güterkraftverkehr gibt man sich mäßig interessiert: „Man | |
muss alle Möglichkeiten in Erwägung ziehen, um vom Öl wegzukommen“, sagt | |
Adolf Zobel vom Verband. Fraglich sei, ob die Trolley-Lkw-Variante | |
finanzierbar ist. Nach Schätzungen des Umweltrats dürften sich | |
Investitionen in eBrummis für die Spediteure innerhalb von zwei Jahren | |
rechnen. Voraussetzung: Strom aus erneuerbaren Energien wird steuerlich | |
gegenüber Dieselkraftstoff bevorzugt. | |
4 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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