# taz.de -- Energieumlage für Atomstrom: „Das ist ein totales Energiechaos“ | |
> Großbritannien legt sein künftiges Energiegesetz vor – Nuklearstrom soll | |
> so gefördert werden wie erneuerbare Energien. Das soll angeblich die | |
> Strompreise senken. | |
Bild: Zehn Prozent des britischen Stromes wird aus erneuerbaren Quellen gewonne… | |
BERLIN taz | Großbritannien setzt auch in den kommenden Jahrzehnten auf | |
Atomenergie. Sie soll künftig so gefördert werden wie erneuerbare Energien. | |
Am Dienstag legte die Regierung einen Gesetzentwurf vor, nach dem alle | |
Energieträger, die wenig Klimagase emittieren, gleich gefördert werden – | |
egal, ob es sich um Windkraftanlagen, Atomstrom oder künftige Kohle- oder | |
Gaskraftwerke handelt, deren Klimagase gefiltert und unter die Erde | |
verpresst werden. | |
Der so erzeugte Strom soll zu einem staatlich garantierten Mindestpreis | |
abgenommen werden. „Wir müssen Investoren jetzt das stärkstmögliche Signal | |
senden und die Transparenz, Stabilität und Kalkulierbarkeit gewährleisten, | |
die sie brauchen“, heißt es in dem Gesetz. Großbritannien muss in den | |
nächsten zehn Jahren ein Fünftel der Kapazität seiner Kraftwerke ersetzen. | |
Derzeit laufen allerdings Verhandlungen, die Laufzeit acht alter | |
Atomkraftwerke des französischen Konzerns EDF zu verlängern. Etwa 10 | |
Prozent des britischen Stromes wird derzeit aus erneuerbaren Quellen | |
gewonnen – etwa aus großen Windparks auf See. Hier verfügt das Land über | |
die weltweit größten Kapazitäten und konkurriert mit Deutschland um die | |
Gunst internationaler Investoren. | |
Zudem will Großbritannien sogenannte Kapazitätsmärkte einführen, die auch | |
in Deutschland heiß diskutiert werden. Unternehmen sollen Geld etwa für | |
Gaskraftwerke bekommen, egal, ob sie laufen oder nicht. Sie sollen als | |
Notreserve dienen, falls die Windräder gerade keinen Strom erzeugen. | |
Atomkraftwerke seien dafür zu unflexibel, heißt es in dem Gesetz. Die | |
Regierung rechnet insgesamt damit, dass in den nächsten zehn Jahren 135 | |
Milliarden Euro in den britischen Energiesektor investiert werden müssen; | |
manche Experten gehen vom Doppelten aus. | |
„Das ist ein totales Energiechaos“, kritisierte Greenpeace die Pläne der | |
Regierung. Besonders das Ziel, die Stromkosten für Privathaushalte zu | |
senken, sei damit nicht zu erreichen. Die Umweltorganisation moniert, dass | |
Energieeffizienz in dem Gesetz überhaupt keine Rolle spielt. Besonders die | |
heimische Industrie für erneuerbare Energien werde nicht gefördert. „Die | |
Koalition wirft der gescheiterten Nuklearindustrie Milliarden hinterher“, | |
teilte Greenpeace mit. | |
Doch selbst die ist nicht zufrieden. Volker Beckers, der Chef der | |
britischen RWE-Tochter, warnte davor, so viele Stellschrauben auf einmal im | |
Energiesektor zu verändern. Tatsächlich sieht die Reform weitere Maßnahmen | |
vor, etwa einen Mindestpreis für Zertifikate, die zum Ausstoß von | |
Klimagasen berechtigen. Juliet Davenport, Chefin des Ökostromanbieters Good | |
Energy, fürchtet eine Konzentration auf große Unternehmen im britischen | |
Energiesektor. „Wenn die Regierung das Gesetz versaut, sind wir an Gaskraft | |
und teure Atomenergie gebunden“, sagte sie der Zeitung Guardian. Noch muss | |
die Reform durch das britische Unterhaus – dort allerdings hat die | |
Regierung Cameron eine Mehrheit. | |
22 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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