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# taz.de -- Online-Blockade in Iran und China: Hochrüsten gegen die Netzfreihe…
> Werkeln am Parallelnetz: Iran und China entwickeln immer trickreichere
> Technologien, um das Internet überwachen und blockieren zu können.
Bild: Den eigenen Namen googeln? Nicht wenn man „Jiang“ oder „Zhou“ hei…
BERLIN taz | Es gab eine Zeit, da war die Online-Zensur in repressiven
Regimen zumindest für fortgeschrittene Internet-Nutzer eher symbolischer
Natur: Wortfilter, die in anderen Ländern dem Kinderschutz dienten, umging
man mit simplen Tricks. Wenn gar nichts mehr ging, ließ man sich über ein
virtuelles privates Netzwerk (VPN) leiten, nutzte zwischengeschaltete
Proxy-Server oder verwendete in Härtefällen die Anti-Zensur-Technik Tor.
Doch mittlerweile scheinen die Zensoren hinzuzulernen. Standardtechnik wird
zwar, so berichten Free-Speech-Aktivisten, immer noch eingekauft, doch
bedient man sich inzwischen fortschrittlicher Überwachungs- und
Blockadetechnologie. Für ihr Geld wollen Unterdrückerstaaten schließlich
Resultate.
Das muss nicht so weit gehen wie im Iran, wo derzeit daran gewerkelt wird,
ein komplett eigenes Intranet hochzuziehen, bei dem der Staat dann
ultimativ den Anschluss an den Rest der Welt kappen kann, um alles „Böse“
herauszuhalten. Hilfreich sind bereits Techniken wie die sogenannte Deep
Packet Inspection, kurz DPI, bei der tief in den Datenverkehr der Nutzer
geblickt wird, um ihn dann gegebenenfalls ins Nichts umzuleiten und
Antworten zensierter Server nicht mehr durchzulassen.
Das richtet sich mittlerweile gezielt gegen Anti-Zensur-Maßnahmen. So
[1][berichteten] Macher des Projekts „Tor“ Ende Mai, in Äthiopien seien nun
DPI-gestützte Filtersysteme im Einsatz, die dafür sorgen, dass Nutzer in
dem Land keine vernünftigen Verbindungen mehr zu dem Werkzeug aufbauen
können. Von ähnlichen Maßnahmen habe man zuvor schon aus dem Iran, aus
China und aus Kasachstan gehört.
Das DPI-System untersucht dabei verschlüsselte Verbindungen und versucht,
digitale Fingerabdrücke der Tor-Server zu nehmen. Anschließend werden
solche Verbindungen für andere Nutzer gezielt unterbrochen. Mittlerweile
haben die Tor-Aktivisten festgestellt, wie genau dies funktioniert und
bieten [2][Gegenmaßnahmen] an – doch wie lange diese nutzen, ist unklar.
Der Kampf Zensor gegen Nutzer beziehungsweise Zensor gegen
Anti-Zensur-Maßnahme entwickelt sich zum Wettrennen.
Auf DPI-Techniken basierende Maßnahmen kann derzeit auch Google in China
feststellen. Wie der Netzkonzern in seinem Blog [3][ausführlich darstellt],
wird derzeit die aus Hongkong operierende chinesische Suche auf dem
Staatsgebiet des Riesenreichs scheinbar willkürlich gestört. Dabei reicht
es, bestimmte Begriffe, die auch Teil anderer Worte sind, in die Suchmaske
zu tippen.
## Auszeit nach bösen Suchbefehlen
Diese sind erstaunlicherweise eher harmlos: So scheint etwa das Wort
„Jiang“ (für „Fluss“) oder der Begriff „Zhou“ (für „Woche“, b…
populäre Nachnamen) „verboten“ zu sein. Nach der Eingabe zeigt sich eine
interessante Entwicklung: Die Verbindung zum Google-Server wird
abgebrochen, Fehlermeldungen wie „Diese Website ist nicht verfügbar“ oder
„Die Verbindung wurde zurückgesetzt“ erscheinen im Browser. Anschließend
ist Googles Suche aus Hongkong gar nicht mehr nutzbar – und zwar jedes Mal
ziemlich genau anderthalb Minuten lang.
Versucht der Nutzer es erneut mit einem der „bösen“ Worte, geht die
Verbindungsunterbrechung von vorne los – wieder darf man anderthalb Minuten
eine Google-Auszeit verbringen. Überprüft und nachvollzogen wurde dieses
Verhalten sowohl mit bekannten Desktop-Browsern als auch mit Mobiltechnik
wie Smartphones mit Android.
Google hat mittlerweile Maßnahmen ergriffen, Nutzer zumindest zu warnen,
wenn eine Verbindungsunterbrechung droht. Dazu wurden die 350.000
beliebtesten Suchbegriffe auf Zensurempfindlichkeit analysiert. Tippt man
nun ein solches Wort ein und drückt die Eingabetaste, warnt Google
zunächst, dass nun gleich eine Auszeit losgehen könnte. Der Nutzer kann
sich dann überlegen, was er tun soll. Alternativ können User aber auch eine
lateinische Umschrift in Pinyin verwenden, die haben die Zensoren aktuell
offenbar vergessen.
5 Jun 2012
## LINKS
[1] http://blog.torproject.org/blog/ethiopia-introduces-deep-packet-inspection
[2] http://blog.torproject.org/blog/update-censorship-ethiopia
[3] http://insidesearch.blogspot.sg/2012/05/better-search-in-mainland-china.html
## AUTOREN
Ben Schwan
## TAGS
USA
Internet
Schwerpunkt Überwachung
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