# taz.de -- Kommentar Facebook-Abstimmung: Karikatur einer Wahlkabine | |
> Was mag Facebook, dieses Nordkorea des Netzes, dazu bewogen haben, | |
> überhaupt über die Nutzungsbedingungen abstimmen zu lassen? Das Netzwerk | |
> ist alternativlos. | |
Bisher war ich mir nicht sicher, wie scheißegal ich als Nutzer Facebook | |
tatsächlich bin: Bin ich eher der Kieselstein im Sommerreifenprofil des | |
Drittwagens, oder doch der Regenwurm unter der Hortensie im Nachbarsgarten? | |
Jetzt bin ich mir sicher: Ich habe mich viel zu wichtig genommen. | |
Facebook tut so, als könnte man über Nutzungsbedingungen abstimmen. | |
Irgendwo im schalldichten Keller der Seite, wo kein Mensch von selbst je | |
hinfindet, darf man sich entscheiden zwischen beschissenem Datenschutz | |
(altes Regelwerk) und quasi inexistentem Datenschutz (neues Regelwerk). | |
Damit das Ergebnis bindend ist, müssen sich 30 Prozent aller Nutzer | |
beteiligen; macht 270 Millionen Leute. Die Abstimmung läuft am Freitag aus, | |
bis jetzt haben 280.000 verlorene Seelen diese Karikatur einer Wahlkabine | |
aufgesucht. | |
Und von denen, die sich da eingefunden haben, weiß obendrein keiner, was da | |
überhaupt zur Debatte steht. Die Änderungen werden begraben unter einer | |
Lawine von verschachtelten Sätzen, redundanten Formulierungen und leeren | |
Phrasen. Hinter jedem Paragrafen hätte man auch ein „Lass Dir das mal | |
wurscht sein, ist eh zu kompliziert" setzen können. | |
Was mag Facebook, dieses Nordkorea des Netzes, dazu bewogen haben, | |
überhaupt über die Nutzungsbedingungen abstimmen zu lassen? Nun, es gibt ja | |
immer wieder Diskussionen über deren Inhalt, zuletzt als klar wurde, dass | |
Facebook Daten, auch gelöschte, viel länger speichert als angekündigt. Gut, | |
sagt sich Facebook, heben wir halt die Fristen auf und sagen an einer | |
Stelle, wo die Sonne nie hinscheint, dass wir jetzt einfach alles | |
speichern. Und lässt uns das durch eine ungültige Wahl absegnen. | |
Hab ich gerade „Wahl" geschrieben? Man muss Facebook insgeheim doch Respekt | |
zollen; man kannte solche Wahlen, die unliebsame Entscheidungen zum Schein | |
an ein Volk oder Publikum delegiert haben und danach mit immer über 95 | |
Prozent im Sinne der Strippenzieher entschieden wurden. Facebook dreht die | |
Perversion der Beteiligung durch Wahl hier um einen entscheidenden Punkt | |
weiter: Man muss nicht einmal mehr so tun, als hätte man eine Mehrheit. Es | |
reicht, wenn man die Gleichgültigkeit auf seiner Seite hat. | |
Was hat Facebook auch zu verlieren? Die Nutzer vertrauen ihm zwar ihre | |
Daten an, trauen tun sie ihm aber nicht. Facebook hat keine | |
Glaubwürdigkeit, die es verspielen könnte. Es ist bisher nur alternativlos. | |
Frustrierend für jene, denen der Datenschutz am Herzen liegt. Die haben, so | |
lange Voodoo nicht funktioniert, da kaum eine Handhabe gegen. | |
7 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Frederic Valin | |
## TAGS | |
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