# taz.de -- Erreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit: Die Ministerin will mehr… | |
> Mails am Wochenende, Anrufe am Abend: Die Arbeitsministerin fordert einen | |
> „psychischen Arbeitsschutz“. Gewerkschafter hätten gern strengere Regeln. | |
Bild: Am Laptop in der Freizeit: Ministerin von der Leyen (CDU) will, dass es f… | |
BERLIN dpa/dapd | SPD, Grüne und Gewerkschaften fordern neue Regeln gegen | |
die ständige Erreichbarkeit von Arbeitnehmern über Handy und Computer. Die | |
stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig sprach sich dafür aus, | |
die Mitspracherechte der Betriebsräte auszuweiten, um der Erreichbarkeit in | |
der Freizeit Grenzen zu setzen. | |
„Kein Chef darf eine Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit erwarten. Trotzdem tun | |
viele Arbeitgeber das“, sagte sie der Bild-Zeitung. „Deshalb wollen wir die | |
Mitbestimmung der Beschäftigten stärken.“ Die Grünen-Sozialexpertin Beate | |
Müller-Gemmeke forderte eine Selbstverpflichtung der Arbeitgeber auf einen | |
verbindlichen „Handy-Codex“. | |
Am Dienstag hatte sich zunächst Bundesarbeitsministerin Ursula von der | |
Leyen (CDU) zu dem Thema geäußert, sie fordert eine deutliche Trennung von | |
Arbeit und Freizeit. „Es muss ganz klare Regeln innerhalb eines Betriebes | |
geben was Handykultur, Mailverkehr angeht. Diese Regeln müssen vom | |
Arbeitgeber gesetzt werden, aber auch von den Beschäftigten gelebt werden“, | |
sagte sie. So wie es Arbeitsschutzmaßnahmen wie Bauhelme gebe, müsse es | |
auch psychischen Arbeitsschutz geben. „In der Freizeit sollte Funkstille | |
herrschen“, forderte von der Leyen. | |
Das Problem ist nicht neu. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps - | |
diese Volksweisheit gilt längst nicht mehr für alle Arbeitnehmer. 88 | |
Prozent der Berufstätigen sind einer Bitkom-Umfrage vom vergangenen Sommer | |
zufolge auch außerhalb ihrer Arbeitszeit per Handy oder E-Mail erreichbar. | |
## Arbeitgeberverband: Leistungsbereitschaft nicht einschränken | |
Die ersten Unternehmen reagierten bereits: Der Betriebsrat von Volkswagen | |
hat für die VW-Beschäftigten Ende 2011 eine „Blackberry-Pause“ nach | |
Feierabend durchgesetzt. „Aus der Belegschaft und vom Unternehmen selbst | |
kommen nur positive Reaktionen“, sagt der Konzernbetriebsrats-Vorsitzende | |
Bernd Osterloh. | |
„Kein Arbeitnehmer ist verpflichtet, mehr zu leisten, als er vertraglich | |
schuldet. Umgekehrt gilt aber auch: Engagement und Leistungsbereitschaft | |
sollten nicht zwangsweise eingeschränkt werden“, heißt es in einer | |
Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände | |
(BDA). Es stehe jedem Unternehmen frei, Näheres in Dienstanweisungen oder | |
Betriebsvereinbarungen zu regeln, betont ein BDA-Sprecher. | |
Verdi-Sprecher Jan Jurczyk meint, der Drang zur ständigen Erreichbarkeit | |
sei „eine ambivalente Entscheidung“. In manchen Unternehmen seien die | |
Anforderungen gegeben, einige Arbeitnehmer setzten sich aber auch selbst | |
unter Druck. „Es ist eine stillschweigende Erwartung, die mit dieser | |
Technik weitergereicht wird“, sagte Jurczyk. | |
Die Unternehmen dürften aber ihre Fürsorgepflicht für die Beschäftigten | |
nicht vergessen. Auch E-Mails zu schreiben sei Arbeitszeit – würde diese | |
vergütet oder gesondert angerechnet, würden laut Jurczyk auch die | |
Unternehmen genauer darauf achten, dass damit kein Schindluder getrieben | |
werde. | |
## Erreichbarkeit stresst nicht jeden | |
Auch die IG Metall würde strengere Regeln begrüßen. „Frau von der Leyen | |
kann sich nicht aus ihrer eigenen Verantwortung stehlen, selbst für klare | |
und verbindliche Regeln im Arbeitsschutz zu sorgen. Schlichte Appelle an | |
die Arbeitgeber reichen nicht“, sagte Hans-Jürgen Urban, geschäftsführendes | |
Vorstandsmitglied der IG Metall. | |
Im Mittelstand weiß man um die Problematik. „Beim Thema betriebliche | |
Gesundheitsförderung haben viele Mittelständler noch Nachholbedarf. Es | |
dient der Gesundheit, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach | |
Arbeitsende im wahrsten Sinne des Wortes abschalten“, wird der Präsident | |
der Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, zitiert. | |
Eine Ausnahme seien leitende Mitarbeiter, die auch in ihrer Freizeit im | |
Notfall erreichbar sein müssten. | |
Wirtschaftspsychologe Alexander Cisik weist darauf hin, dass die | |
Erreichbarkeit nicht jeden stresst: „Ich würde nicht grundsätzlich sagen, | |
dass eine permanente Erreichbarkeit krank machen kann.“ Wenn man auf eine | |
dringende Nachricht warte, könne man sein Informationsbedürfnis ad hoc | |
stillen. | |
„Wenn aber der Arbeitgeber wissentlich oder eher unterschwellig seine | |
Mitarbeiter nachts oder auch am Wochenende kontaktiert, dann entsteht | |
daraus natürlich eine Drucksituation“, sagt der Experte. Deshalb müssten | |
Führungskräfte und Mitarbeiter klare Regeln aufstellen. | |
Das Problem für die Gesundheit liege nicht in der neuen Technik - sondern | |
im Umgang damit, betont auch von der Leyen. Der Bild sagte sie: „Wir müssen | |
nur lernen, vernünftig damit umzugehen“. | |
13 Jun 2012 | |
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Arbeitsministerium | |
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