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# taz.de -- Film „West is West": Polyester im Punjab
> „West is West“ ist eine melancholische Culture-Clash-Komödie. Sie spielt
> in einer Welt, in der Engländerinnen in Polyesterblusen für die
> Temperaturen im Punjab nicht gerüstet sind.
Bild: Om Puri spielt in „West is West“ die Rolle des George Khan.
Die Familienverhältnisse von George Khan sind unübersichtlich. Vor vielen
Jahren ist er aus dem Punjab nach Salford, Nordengland, ausgewandert, hat
eine Engländerin geheiratet, einen Fish-&-Chips-Imbiss eröffnet und sechs
Söhne gezeugt. Im Lauf der Jahre hat er es zwar fast vergessen, doch er
war, bevor er sein Dorf verließ, bereits verheiratet und hatte zwei
Töchter. 30 Jahre lang schickte er Geld, zurück kehrte er nie.
Bis Sajid (Aqib Khan), sein jüngster Sohn, sich beim Schuleschwänzen und
beim Ladendiebstahl erwischen lässt. Wir sind mitten in den 70er Jahren,
und weder ist Sajids Schuldirektor aus seinen kolonialen Fieberträumen
erwacht noch sehen seine Mitschüler ein, dass rassistisches Mobben nicht
der feinen englischen Art entspricht.
Statt über seine Nöte zu sprechen, beschimpft der pubertierende Sohn eines
Abends den Vater: „Scheiß-Paki“. George Khan, der in Andy De Emmonys
Spielfilm „West is West“ vom prominenten indischen Schauspieler Om Puri
gespielt wird, packt den Sohn daraufhin in ein Flugzeug. Die alte Heimat,
denkt er, werde Sajid (Aqib Khan) die Flausen schon austreiben.
Aber die alte Heimat treibt zuallererst George Khan die Flausen aus. Die
Konflikte mit der ersten Ehefrau, mit den vernachlässigten Töchtern, dem
Schwiegersohn und all den anderen im Dorf lodern zwar nicht auf, schwelen
aber umso gefährlicher. Und nicht mal die Ochsen vorm Pflug tun, was George
von ihnen verlangt. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Räume des Films
– die Häuser und Gassen im Dorf, die von Schluchten zerklüftete Landschaft
– etwas Labyrinthisches haben. Man findet sich darin einfach nicht zurecht,
wenn man zu rigide Vorstellungen hat.
## Entwaffnend naiv
Für „West is West“, einem späten Sequel der erfolgreichen Komödie „Eas…
East“ (1999), in der Om Puri schon einmal George Khan gab, ist das eine
glückliche Fügung, denn je mehr der alte Herr an seine Grenzen stößt, umso
mehr Facetten erhält seine Figur, und das lässt den Film über die
Flachwitze der Multikultikomödie hinauswachsen.
Nicht, dass es sie nicht gäbe, aber der Regisseur Andy De Emmony und der
Drehbuchautor Ayub Khan Din setzen sie zurückhaltend ein; lieber spüren sie
der Melancholie nach, die die zwischen Salford und dem Punjab hin- und
hergerissenen Figuren befällt.
Wer sich von „West is West“ versteckte Kommentare zur Gegenwart, zum
Islamismus, zur Angst vor Muslimen im Westen oder zur Lage Pakistans
erhofft, wird enttäuscht; indem De Emmony den Film 1975 spielen lässt,
nimmt er sich die Freiheit, eine unschuldige Prä-9/11-Welt zu erschaffen.
Man mag das – wie etwa der Kritiker des Guardian – als harmlos abtun, kann
aber genauso gut zu dem Schluss kommen, dass Filmfiktionen nicht in der
Pflicht stehen, sich an den globalen politischen Schieflagen unserer Tage
abzuarbeiten. So betrachtet, ist „West is West“ eine Ode an eine Zeit, als
culture clash bedeutete, dass Engländerinnen in Polyesterblusen für die
Temperaturen im Punjab nicht gerüstet sind. Naivität hat eben auch etwas
Entwaffnendes.
## ■ „West is West“. Regie: Andy De Emmony. Mit Om Puri, Linda Bassett,
Aqib Khan u. a. Großbritannien 2010, 102 Min.
14 Jun 2012
## AUTOREN
Cristina Nord
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