# taz.de -- Reaktion auf die Reaktion in Agypten: "Ich wäre jetzt gern dort" | |
> Das Militär hat die Macht wieder übernommen. Die Kairoer Regisseurin | |
> Laila Soliman über Enttäuschung und darüber, warum dennoch viel gewonnen | |
> ist. | |
Bild: Auch viele Ägypter im deutschen Exil sind empört über das Vorgehen der… | |
taz: Frau Soliman, in Ägypten wurde am Donnerstag das Parlament aufgelöst, | |
das Militär hat wieder die Macht übernommen. Hat Sie das überrascht? | |
Laila Soliman: Viele Aktivisten waren pessimistisch, aber dieses Urteil hat | |
niemand erwartet. Dass das Gericht Ahmed Schafik, Mubaraks altem | |
Vertrauten, erlauben würde, an der Stichwahl zum Präsidenten teilzunehmen, | |
war klar. Aber nicht, dass es das Parlament auflösen würde. | |
Sie sind für das Festival „Voicing Resistance“ am Ballhaus Naunynstraße. | |
Sind die Menschen in Deutschland gut über die Lage in Ägypten informiert? | |
Das kann ich nicht beurteilen. Zu den Vorstellungen kommen Leute, die sich | |
für die Umbrüche im arabischen Raum interessieren ebenso wie | |
Theaterinteressierte – das ist nicht repräsentativ für eine Stadt. | |
Sind die Leute in Ägypten gut informiert? | |
Zu verstehen, was dieses Urteil heißt, ist selbst für gebildete und gut | |
informierte Leute schwer. Es geht nicht nur um das Parlament, sondern auch | |
um individuelle Freiheiten: Zugleich wurde der Militärpolizei erlaubt, | |
Zivilisten wegen kleinster Vergehen zu verhaften. Viele Leute, die | |
Staatsfernsehen schauen, bekommen diese Informationen gar nicht. Ich | |
glaube, das ist auch ein Grund, warum die Leute erst allmählich anfangen, | |
auf die Plätze zu strömen. Die Menschen müssen das erst begreifen. | |
Wann fahren Sie zurück nach Ägypten? | |
Leider habe ich noch bis zum 27. Juni in Europa zu tun. Ich wäre jetzt | |
natürlich gern dort. Nicht wegen der Wahl – ich gehöre zu den Leuten, die | |
diese boykottieren. Eine Wahl unter der Herrschaft des Militärs kann nicht | |
frei sein, das hat keinen Sinn. | |
Sind Sie enttäuscht von den Entwicklungen? | |
Nein. Ich war immer pessimistisch, schon am 11. Februar hatte ich Angst vor | |
dem, was jetzt kommt. Mir war klar, dass das Militär die Macht nicht | |
abgeben würde, ohne dass viel Blut fließen wird. Trotzdem ist sehr viel | |
gewonnen: Allein dass sich die Leute mehr für Politik als für Fußball | |
interessieren, auf Facebook nicht mehr über Mode, sondern über Wahlen | |
streiten. Ob wir in 5 oder 10 Jahren die Früchte dieser Entwicklung ernten, | |
weiß ich nicht. In Europa wird immer von der Revolution als den ersten 18 | |
Tagen gesprochen. Das ist falsch. Die Revolution geht weiter, wir sind | |
mittendrin. | |
## Ausland SEITE 9 Meinung und Diskussion SEITE 11 | |
16 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Juliane Schumacher | |
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