# taz.de -- Gewerkschaft in Zerreißprobe: Zoff um Sparpolitik | |
> Die Ver.di-Funktionärin Angelika Detsch gerät unter Beschuss, weil sie | |
> für Sozialkürzungen stimmte, die vor allem die Beschäftigten der Stadt | |
> treffen. | |
Bild: Von der Sparliste betroffen: Beschäftigte aus der offenen Kinder- und Ju… | |
Die Sparpolitik des SPD-Senats stellt die Gewerkschaft Ver.di vor eine | |
Zerreißprobe. Denn die zweite Vorsitzende, Angelika Detsch, stimmte | |
vergangene Woche in der Sozialbehörden-Deputation für den Sparhaushalt. | |
Zugleich beteiligte sich die für den Öffentlichen Dienst zuständige | |
Fachbereichsleiterin Sieglinde Friess am „Bündnis gegen die | |
Rotstiftpolitik“ und kritisierte die Kürzungen scharf. | |
Auf diesen Widerspruch wies die Linke hin. Darauf angesprochen hatte Detsch | |
gegenüber der Presse erklärt: „Nicht überall, wo das Ver.di-Label | |
draufsteht, ist Gesamt-Ver.di drin. Mitunter handelt es sich um betroffene | |
Fachbereiche.“ | |
Ver.di-Mitglieder aus dem von Kürzungen betroffen Kinder- und Jugendbereich | |
hat diese Äußerung derart erbost, dass sie Detsch den Rücktritt nahelegten. | |
Ihre Äußerungen seien „gewerkschaftsschädigendes Verhalten“, heißt es in | |
einem Antrag, der am Freitag auf der Bezirkskonferenz im Bürgerhaus | |
Wilhelmsburg eingereicht wurde. | |
„Noch nie in der Ver.di-Geschichte haben sich Mitglieder einzelner | |
Fachbereiche in der Öffentlichkeit negativ zu anderen Fachbereichen | |
geäußert.“ Der Vorgang zeige, wie wichtig die „strikte Trennung“ von | |
Ver.di-Funktionen und -Parteiämtern sei, so der Antrag. Detsch möge | |
Konsequenzen ziehen, um „Schaden für die Gesamtorganisation“ abzuwenden. | |
Der Antrag wurde lebhaft diskutiert, dann aber zurückgezogen, berichtet die | |
Ver.di-Delegierte Kersten Artus. Stattdessen sei ein zweiter Antrag mit | |
großer Mehrheit angenommen worden, der sich nicht mehr gegen Detsch, | |
sondern gegen die Kürzungen wendet. Artus sagt: „Ver.di unterstützt jetzt | |
auch als Landesverband das Bündnis gegen die Rotstift-Politik.“ | |
Denn die Kürzungen treffen vor allem die Beschäftigten der Stadt. Friess | |
hat hochgerechnet, dass bis 2019 mindestens 10.000 Stellen wegfallen, wenn | |
der Senat nicht das Geld für Tarif- und Preissteigerungen bereitstellt. Da | |
Polizei und Lehrer geschont werden, sei von den übrigen Stellen fast jede | |
dritte bedroht. „Das ist für den sozialen Bereich und die Bezirksämter eine | |
Katastrofe. Olaf Scholz sägt an dem Ast, auf dem er sitzt“, sagte Friess. | |
Erste Folgen werden in Altona deutlich, wo eine offizielle Sparliste | |
vorliegt. Demnach bleibt es dabei, dass die Mädchentreffs in Lurup und | |
Osdorf, das Jugendcafé Bahrenfeld, der Jugendtreff auf dem | |
Abenteuerspielplatz Nord und der Abenteuerspielplatz Hexenberg schließen | |
sollen und die „Motte“ eine Stelle verliert. Neu ist, dass das Jugendcafé | |
Altona-Altstadt als Ganzes ein Projekt der Sozialräumlichen Hilfen und | |
Angebote werden soll. Unklar ist, wie es dann noch ein Treff für alle | |
Jugendlichen aus dem Stadtteil sein kann. | |
SPD-Finanzsenator Peter Tschentscher hatte die Kürzungen mit dem Ausbau der | |
Ganztagsschulen begründet. Die Jugendlichen könnten nicht an zwei Orten | |
gleichzeitig sein. Doch im Fall der beiden Jucas Altona-Altstadt und | |
Bahrenfeld sei diese Argumentation widersinnig, sagt Mauricio Wertheim vom | |
Träger Movego. „Wir bieten Kurse in den umliegenden Ganztagsschulen an. Die | |
nutzen am Vormittag unsere Räume.“ | |
Nach taz-Recherchen hat Tschentschers Argumentation eine weitere Schwäche: | |
Der Ganztagsschulausbau ist gar nicht für alle Jugendlichen geplant. Nur | |
etwa die Hälfte der 59 Stadtteilschulen bieten Unterricht bis 16 Uhr an. | |
Das Gros der Schulen, die jetzt neu einen Antrag stellen, beginnen zunächst | |
nur mit den 5. Klassen oder planen den Ganztagsunterricht nur bis Klasse 6 | |
oder 7. Viele der 13- bis 18-Jährigen stehen also auf der Straße, wenn ihr | |
Jugendclub schließt. | |
15 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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Wohlfahrt | |
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