# taz.de -- Streit um die Uefa-Bildregie bei der EM: „Live ist live und muss … | |
> ARD und ZDF schäumen, weil die Uefa eine vorher aufgezeichnete Szene ins | |
> Live-Signal mogelte. Dabei ist viel schlimmer, was wir von der EM alles | |
> nicht zu sehen kriegen. | |
Bild: Das sahen wir nicht im Fernsehen: Ein Flitzer küsst Kroatiens Trainer Sl… | |
Hach, wie sie sich plötzlich wieder alle aufregen: „Jogi und der | |
Balljunge“, diese hübsche Szene aus dem Spiel Deutschland-Niederlande, | |
dieses Fußballidyll garniert mit Welttrainer und Sportnachwuchs, diese | |
herzige Szene – sie war nicht echt. | |
Nein, nicht dass Jogi Löw dem Nachwuchskicker nicht etwa den Ball, pfui, | |
von hinten aus der Achsel nimmt. Bzw. „wegspitzelt“, wie die bekannte | |
Fußballagentur epd schreibt und sich damit für den Uefa-Lyrikpreis | |
qualifiziert. Nur, und das beklagen nun alle von den ZDF-Gewaltigen bis | |
zwei Tage später dann auch Tom Buhrow in den ARD-„Tagesthemen“, es | |
passierte eben nicht live, nicht beim Spiel, sondern davor. Doch die | |
„Uefa-Weltregie“, dieses zynische Reich des Bösen, schnitt die Szene | |
einfach mittenrein. | |
„Das ist vollkommen unüblich“, beschwerte sich ZDF-Sportchef Dieter | |
Gruschwitz und ZDF-Chefredakteur Peter Frey schäumte sogar ein bisschen: | |
„Das entspricht nicht unseren journalistischen Standards“, man erwarte | |
jetzt von der Uefa, „dass sie uns künftig darauf hinweist, ob sie während | |
einer Live-Übertragung aufgezeichnetes Material verwendet.“ Jetzt also bloß | |
keine Witze über Olli Kahn, Strandkorbvermieter und die Sonne, die hinter | |
der ZDF-Showbühne auf der Ostseeinsel dann und wann so schön im Wasser | |
untergeht. | |
„Für uns wäre jede Form von Zensur oder Manipulation nicht tragbar“, meld… | |
sich am Samstag danach per Interview auch WDR-Chefredakteur Jörg | |
Schönenborn zu Wort – der WDR ist in der ARD der Fußballgott: „Das deutsc… | |
Publikum erwartet, dass live drin ist, wenn live drauf steht. Live ist live | |
und muss live bleiben.“ Die Lage ist ernst. | |
## Von Fifas und Uefas Gnaden | |
Ist sie übrigens tatsächlich, aber anders, als das öffentlich-rechtliche | |
Geklappere suggeriert. Internationaler Fernsehsport, der Fußball allemal, | |
ist seit Jahren eine Kommerzveranstaltung von Fifas und Uefas Gnaden. Der | |
Ball gehört Sepp Blatter und Konsorten, der Unterschied zur Formel 1 und | |
Bernie Ecclestone ist höchstens marginal. Trotzdem wird beim Fußball weiter | |
trotzig so getan, als sei hier die hehre Welt des Sports noch voll und | |
Ordnung, während den Boliden-Rennzirkus eh kaum einer mehr ernst nimmt. | |
Mehr noch: Die öffentlichen-rechtlichen Sender zahlen mit Begeisterung | |
Gebührenmilliarden für die TV-Übertragungsrechte, um danach die | |
Verantwortung für die Bilder voll und ganz abzugeben, an die, denen sie | |
gehören. Womit wir wieder bei den internationalen Dachverbänden wären. Zur | |
Rundum-Vermarktung des Fifa- und Uefa-eigenen Gekickes gehört zuvörderst | |
das Sendesignal, von einer eigene Produktionsgesellschaft produziert und | |
den angeschlossenen Sendern gegen satte Gebühr geliefert, von der | |
„Uefa-Weltregie“ kongenial für die jeweiligen Märkte aufbereitet. | |
Bei der Uefa ist man sich in Sachen „Mama, Papa, Jogi-Ball“ keiner Schuld | |
bewusst: „Es ist eine international übliche Praxis, dass bei | |
Liveübertragungen Szenen als Wiederholungen eingespielt werden“, teilte die | |
Uefa am Freitag mit. ARD und ZDF sind zwar noch mit ein paar eigenen | |
Kameras vor Ort, doch die sind eher Folklore: Damit werden Kurzinterviews | |
am Beckenrand geführt und die Kommentatoren gezeigt. | |
Obwohl man mehr könnte, wenn man wollte. Doch nur drei bis vier der rund | |
zehn eigenen Kameras im Stadion sind auch wirklich aufs Spielfeld | |
gerichtet. Die Sender dürften auch beim Weltsignal der Uefa-Regie zwischen | |
verschiedenen Kameraeinstellungen wählen. Doch weil es dann wegen der | |
Schnitte bei der Rückkehr zum zentral laufenden Weltsignal holpert, komme | |
das nicht gerade oft vor, heißt es intern. Dem Zuschauer wurde bislang | |
nicht erklärt, dass er da nicht ZDF oder ARD in Reinkultur sieht – sondern | |
Uefa-TV. | |
Allein: Die Uefa schneidet nicht nur Herziges wie den lustigen deutschen | |
Bundestrainer in die Übertragungen rein, sondern lässt gerne auch mal etwas | |
weg: Zündelnde Fans, von der Tribüne aufs aufs Feld hoppelnde Zuschauer, | |
der Regie nicht genehme Banner in den Stadien und anderes mehr, was dem | |
(Live?)-Bild vom Spiel abträglich sein könnte. | |
Offizielle Begründung: Solches tue man, um nicht noch mehr Fan-Idioten zur | |
Nachahmung zu bewegen. Doch man wird den Eindruck nicht los, dass es | |
insgesamt eher um das saubere Image vom sauberen Fußballsport geht. Denn | |
was wurde uns bislang vorenthalten? Das Transpi, auf dem die Fußballgrünen | |
Rebecca Harms und Werner Schulz beim Spiel gegen die Niederlande „Fairplay | |
im Fußball und in der Politik“ anmahnten und „Free all political prisoners… | |
forderten. Mag die Uefa nicht, gibt Ärger mit dem Gastgeberregime. | |
Ebenfalls nicht im deutschen Fernsehen: ein kroatischer Fan, der aufs Feld | |
rannte und beim Irland-Spiel „seinen“ Trainer Bilic küsste. Und leere | |
Plätze, vor allem auf den VIP-Tribünen, stattdessen stets der ganz große | |
Jubel. Und was da nicht passt, fällt der Weltregie zum Opfer. [1][Das war | |
übrigens auch 2008 in der Schweiz so], auch damals verhallte der | |
anschließende deutsche Senderprotest ungehört. Dieses Mal hat vor allem das | |
ZDF Ärger mit solchen „Ausblendungen“ bei von ihm übertragenen Spielen. B… | |
der ARD blieb dagegen das martialische Banner einiger russischer Fans beim | |
Spiel gegen Polen drin. „Wir beobachten das sehr genau und würden da | |
umgehend reagieren, wenn uns etwas fehlt“, sagt ein WDR-Sprecher der taz. | |
Wie das mit öffentlich-rechtlicher Programmhoheit zusammengeht, diskutieren | |
ARD und ZDF dann allerdings nicht ganz so gerne, wie sie sich nun mal | |
wieder aufregen. Auch nicht, wenn man sie daran erinnert, dass sie | |
gegenüber den angeblich so allmächtigen Fußballverbänden und den Blatters | |
dieser Welt vielleicht nicht ganz so machtlos sind, wie sie immer tun: Denn | |
ohne ihre Rechtemillionen für den ganzen Fernsehsegen wäre das | |
internationale Fußballgeschäft ein paar Nummern kleiner. | |
Dabei ist es nicht so, dass nur der Fußball mit seinen Verbandsoligarchen | |
die Programmautonomie des deutschen Fernsehens ad absurdum führt. Das | |
Internationale Olympische Komitee (IOC) kann es sogar noch ein bisschen | |
besser: Zu Olympia 2008 in Peking ließen sich ARD und ZDF vertraglich | |
verpflichten, eine höchst IOC- und China-freundliche Dokumentation („Peking | |
2008 – Die Tore zum Osten werden geöffnet“) der mit dem IOC seit langem eng | |
verbandelten TV-Produktionsgesellschaft IMG [2][auszustrahlen]. | |
Was sie dann auch – gut versteckt in ihren Digitalkanälen – auch taten. | |
Nach Protesten erklärten der damalige ARD-Vorsitzende Fritz Raff und der | |
damalige ZDF-Intendant Markus Schächter übrigens, solche PR-Filmchen seien | |
eigentlich ein Unding und müssten „wegverhandelt“ werden. Heute sitzen bei | |
beiden Sendern andere auf dem Spitzenposten. Mal sehen, wie sie es im | |
August mit den Spielen in London halten. | |
16 Jun 2012 | |
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## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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