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# taz.de -- Schulen in Sachsen: Lehrer vor dem Kollaps
> Im vermeintlichen Bildungsmusterland Sachsen wird der jahrelang
> ignorierte Lehrermangel immer dramatischer spürbar. Verbände warnen vor
> dem „Crash“.
Bild: Sächsische Lehrer demonstrieren Mitte Juni in Dresden und fordern mehr N…
DRESDEN taz | In Sachsen wirft jetzt schon der 4. September seine Schatten
voraus. Dann beginnt das neue Schuljahr. Von einem drohenden „Crash“
spricht sogar der sonst eher gemäßigte Philologen-Verbandsvorsitzende Frank
Haubitz und davon, dass Sachsen „mit den Schulen an die Wand fahren
könnte“. Im Bildungs-Musterland schrillen die Alarmglocken ob des
Lehrermangels und der sich verschärfenden Unterrichtsbedingungen.
Auch die unsichere, erst im April neu berufene Kultusministerin Brunhild
Kurth (parteilos) wollte diese Woche vor Journalisten einen geordneten
Schulbeginn im Herbst nicht garantieren. Tags darauf korrigierte sie sich
im Landtag. Kurth löste im April Roland Wöller ab, der im Streit mit Teilen
der Regierung und der CDU-FDP-Koalition um das Lehrerpersonal
zurückgetreten war. Spät war Wöller aufgewacht, obschon Prognosen seit
Jahren vor der drohenden Überalterung der sächsischen Lehrerschaft warnen.
Mit einem Sofortprogramm hat die Staatsregierung im April ihr so genanntes
Bildungspaket vom Dezember des Vorjahres aufgestockt. Doch die
Lehrerverbände sprechen von Tricks und rechnen vor, dass trotz der
geplanten 655 Neueinstellungen im September unter dem Strich weniger Lehrer
bei steigenden Schülerzahlen zur Verfügung stehen. 583 Stellen würden zuvor
laut Haushaltplan abgebaut, und die aus dem Ganztagsprogramm umzusetzenden
Lehrer seien bereits jetzt als Unterrichtsaushilfe voll gefordert.
Die Hiobsbotschaften betreffen inzwischen alle Schularten. Als Leiter eines
Dresdner Gymnasiums muss Sachsens Oberphilologe Haubitz nun Eltern
erklären, warum er aus fünf achten Klassen vier machen muss, damit im
kommenden Schuljahr der Unterricht gewährleistet werden kann. Bei
sächsischen Grundschulen hat man sich fast schon daran gewöhnt, permanent
am Limit zu fahren. „Das funktioniert nur noch dank Freiarbeit und
Selbstbeschäftigung“, sagt eine Klassenleiterin. „Mit herkömmlichem
Frontalunterricht wäre das System schon zusammengebrochen.“
## Highway to hell
In zuvor nicht gekannter Einigkeit treten nun die Bildungsgewerkschaft GEW,
der Lehrerverband, der Philologenverband und der Verband der
Berufsschullehrer gemeinsam auf. „Die Qualität des sächsischen
Bildungssystems, um das uns manche beneiden, wird aufs Spiel gesetzt“,
warnte Lehrerverbands-Landesvorsitzender Jens Weichelt bei einer
Demonstration von 5.000 Lehrern vor dem Sächsischen Landtag. „Highway to
hell“ spielte die Lehrerband „Teilzeit“. Statt des „Bildungspäckchens�…
Regierung schnürten die Demonstranten symbolisch ein neues großes Paket.
Zu ihren Forderungen gehören neben neuen Lehrerstellen und besseren
Bedingungen für Referendare auch Erleichterungen für die im Durchschnitt
über 50 Jahre alte Lehrerschaft. Auch die gerechte Eingruppierung
insbesondere bei Mittelschullehrern spielt eine zentrale Rolle.
Nichtverbeamtung und die geringere Vergütung in Sachsen seien
Haupthindernisse, um junge Lehrer in Sachsen zu halten oder
wiederzugewinnen, kritisierten mehrere Redner. Außerdem müssten
Mehrleistungen wie Klassenleiterstunden komplett anerkannt und mit
Altersteilzeit ein „Rentenübergang in Würde“ gewährleistet werden.
Zu allem Überfluss soll nun auch noch ein Großteil der vollzeitschulischen
Ausbildungsgänge an Berufsfachschulen geschlossen und durch Angebote im
betrieblichen Dualen System ersetzt werden. Mit Spannung wird die
Kabinettsklausur zum Doppelhaushalt 2013/14 Anfang Juli erwartet. Kommen
keine befriedigenden Lösungen, kündigten die Lehrerverbände einen heißen
Herbst an.
18 Jun 2012
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Brandenburg
Dortmund
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