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# taz.de -- Prozess gegen Neonazi: „Notwehr“ mit Ansage
> Ein Neonazi fantasiert, linke „Zecken“ in Notwehr töten zu wollen. Tage
> später fährt er einen Antifaschisten um – angeblich in Notwehr. Am Montag
> steht er vor Gericht.
Bild: Im schönen Städtchen Freiburg ist die Naziszene hässlich.
FREIBURG taz | Mit Vollgas fuhr der Offenburger Neonazi Florian Stech in
eine Gruppe Antifaschisten. Einer wurde lebensgefährlich verletzt. Stech
spricht von Notwehr, die Staatsanwaltschaft von versuchtem Totschlag und
die Nebenklage sogar von einem Mordversuch. An diesem Montag beginnt der
Prozess vor dem Freiburger Landgericht.
Die Tat fand am 1. Oktober 2011 auf einem Parkplatz in der Nähe von
Freiburg statt. Dort wollten sich Rechtsradikale sammeln, um gemeinsam zu
einer Party der „Kameradschaft Südsturm Baden“ zu fahren. Der damals
29-jährige Versicherungsvertreter Florian Stech wartete als Kontaktmann in
seinem Wagen. Doch die Antifa hatte Wind von dem Treffpunkt bekommen. Eine
Gruppe von fünf schwarz Vermummten betrat den Parkplatz von der anderen
Seite und lief auf Stechs Wagen zu.
Als Stech die Gruppe sah, hätte er nach rechts wegfahren und über die
Ausfahrt den Parkplatz verlassen können. Er aber fuhr nach links mit
durchdrehenden Reifen und aufjaulendem Motor direkt auf die Antifa-Gruppe
zu.
Fast alle Vermummten konnten zur Seite springen, doch ein 21-jähriger
Schüler wurde von dem Wagen erfasst, knallte auf die Windschutzscheibe,
flog durch die Luft und landete hinter dem Wagen schwer verletzt auf dem
Asphalt. Der Schüler erlitt eine Gehirnblutung, lag wochenlang im
Krankenhaus und ist heute noch traumatisiert.
## Von Panik kann nicht die Rede sein
Stech berief sich auf Notwehr. Er sei in Panik geraten und deshalb in die
Gruppe hineingefahren. Die Freiburger Staatsanwaltschaft geht wegen des
Angriffs der Antifa zwar von einer Notwehrlage aus, es wäre für Stech
jedoch naheliegender und sicherer gewesen, den Parkplatz mit dem Auto zu
verlassen.
Stattdessen habe er billigend den Tod von mehreren politischen Gegnern in
Kauf genommen. Auch ein schuldloser Notwehrexzess liege nicht vor, denn von
Panik könne keine Rede sein, Stech habe beim Eintreffen der Polizei
vielmehr einen ruhigen Eindruck gemacht. Stech ist deshalb wegen versuchten
Totschlags angeklagt worden.
Die Nebenklage, die von den Anwälten Jens Janssen und Angela Furmaniak
vertreten wird, geht noch weiter. Sie wirft Stech einen Mordversuch aus
niedrigen Beweggründen vor. Immerhin habe der Nazi erst wenige Tage vor der
Tat im Internet davon geschwärmt, wie schön es wäre, eine „Zecke“ in
Notwehr zu töten: „ich warte ja nur darauf, dass einer mal angreift! dann
kann ich ihn endlich mal die klinge fressen lassen!“, schrieb Stech bei
Facebook unter seinem Pseudonym Ragnar Strbjoern.
Stech ist wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft und war zum
Tatzeitpunkt NPD-Mitglied. Bei der Landtagswahl 2011 kandidierte er sogar
für die NPD im Enzkreis. Nach NPD-Angaben lief gegen Stech zum Zeitpunkt
der Tat bereits ein Ausschlussverfahren, zu dessen Anlass die Partei aber
nichts sagen will. Am 31. Oktober, also vier Wochen nach der Tat, sei er
dann als NPD-Mitglied gestrichen worden.
Inzwischen behauptet Stech, er habe sich von der rechten Szene abgewandt
und die Polizei habe ihm die Aufnahme in ein Aussteigerprogramm
zugesichert. Im Prozess lässt er sich nun auch nicht mehr von der rechten
Anwältin Nicole Schneiders vertreten, sondern von dem renommierten und eher
linken Strafverteidiger Ulf Köpcke. Die Nebenklage-Anwältin Angela
Furmaniak hält das aber nur für ein taktisches Manöver. „Stech ist immer
noch ein Nazi. Von der Szene hat er sich nur abgewandt, weil er sich nicht
genug unterstützt fühlt.“
Das Freiburger Landgericht hat neun Verhandlungstage bis Mitte Juli
angesetzt.
18 Jun 2012
## AUTOREN
Christian Rath
## TAGS
Rechtsextremismus
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