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# taz.de -- Britisches Gesetz gegen Cybermobbing: Statt kostspieliger Klagen
> Die britische Regierung plant eine Reform des Gesetzes zum
> Verleumdungsschutz. Dabei sollen auch neue Regeln gegen Cybermobbing
> entwickelt werden.
Bild: „Das neue Gesetz wird es schwieriger machen, sich hinter Anonymität zu…
LONDON taz | Die britische Regierung plant im Rahmen einer Reform des
Verleumdungsschutzgesetzes die Einführung eines Gesetzes gegen
Cybermobbing. Laut dieses neuen Entwurfs sollen Online-Anbieter in Zukunft
in die Pflicht genommen werden, sogenannte Internet-Trolle zu
identifzieren.
Bislang wurden Internet Service Provider in Großbritannien mit
kostspieligen Verleumdungsklagen belangt, wenn Privatpersonen sich von
Veröffentlichungen auf ihren Webseiten angegriffen oder diffamiert sahen.
Der Grund: Im derzeitigen britischen Rechtssystem können Online-Anbieter
für auf ihren Webseiten veröffentlichte Kommentare haftbar gemacht werden.
Und weil von britischen Gerichten zuerkannte Entschädigungen sich mitunter
in Millionenhöhe bewegen und vor allem kleinere Verlage sich derartige
Prozesse nicht leisten können, soll das jetzt anders werden: „Nach
aktuellem Gesetzesstand, können Individuen im Internet skurrile Gerüchte
und Anschuldigungen angehängt werden und es gibt wenig Rechtsmittel gegen
die verantwortlichen Personen“, erklärte der britische Justizminister
Kenneth Clarke.
„Im Prinzip können die Webseite-Betreiber haftbar gemacht werden, weil sie
die Verleger von allem sind, was auf ihren Seiten veröffentlicht wird“,
sagte Clarke weiter, „obwohl der Inhalt oft von den Usern stammt.“
Viele Betreiber wüssten aber nicht, ob das veröffentlichte Material
diffamierend sei oder nicht, führte der britische Justizminister weiter
aus, und sehr oft werde die entsprechende Diffamierung bei einer Beschwerde
umgehend entfernt. „Der von uns vorgeschlagene Gesetzentwurf sieht vor,
dass Webseite-Betreiber einen Schutz gegen eine Verleumdungsklage haben, so
lange sie der Verpflichtung nachkommen, die Autoren des angeblich
diffamierenden Materials zu identifizieren“, sagte Clarke.
## Der Präzedenz-Troll
Die Regierung wolle ein Verleumdungsschutzgesetz für das Internet, das
Privatpersonen ermögliche ihren Ruf effektiv zu schützen, sagte der
Justziminister, aber das auch sicherstelle, dass Informationen online nicht
ohne weiteres zensiert werden könnten, indem Webseite-Betreibern rechtliche
Schritte angedroht werden.
In der Tat haben zahlreiche britische Prominente bereits eine Reihe
einstweiliger Verfügungen gegen die Berichterstattung in Medien über sie
erwirkt. Eine außerordentlich kostspielige Maßnahme auf den britischen
Inseln, die nur wenigen betuchten Briten zur Verfügung steht.
Als einer der Auslöser dieser Gesetzesreform wird die vor kurzem erfolgte
Bestrafung des britischen Internet-Trolls Frank Zimmerman gesehen.
Zimmerman wurde zu einer 26-wöchigen Gefängnisstrafe auf Bewährung
verurteilt, weil er der britischen Parlamentarierin Louise Mensch eine
anstößige E-Mail geschickt hatte.
Das Gesetz gegen Cybermobbing wurde bereits zweimal im britischen Parlament
erörtert und wird auch in der britischen Öffentlichkeit intensiv
diskutiert. Manche Online-Anbieter begrüßen den zusätzlichen Schutz gegen
Verleumdungsklagen, andere befürchten den Verlust der viel gepriesenen
Anonymität im Netz.
Justine Roberts, eine der Gründerinnen der britischen Website Mumsnet,
glaubte, dass das Cybermobbing-Gesetz die Kultur des Internets untergraben
könnte: „Niemand will die Identität von boshaften Internet-Trollen schützen
und das neue Gesetz hat sicher viele positive Seiten, aber es ist wichtig,
dass wir die Anonymität im Internet nicht komplett entwerten und verbieten.
Die Möglichkeit, anonym Fragen zu stellen und Ratschläge zu erteilen, ist
der Kern der Unterstützung, die Mumsnet bietet. In ihren Bemühungen
Internet-Trolls zu entlarven, muss die Regierung vorsichtig sein, anonyme
Posts zu schützen, die Menschen oft lebensrettende Hilfe und Beratung
gewähren.“
## Entscheidungsinstanz
Die Internet Service Providers Association (ISPA), die in Großbritannien
Online-Anbieter wie Google, BT und AOL repräsentiert, begrüßte das Gesetz
gegen Cybermobbing, weil „ISPs nicht besonders gut geeignet sind, zu
entscheiden, ob Inhalte diffamierend sind oder nicht.“
Die britische Vereinigung Index on Censorship, die sich für freie
Meinungsäußerung einsetzt, betrachtet das neue Cybermobbing-Gesetz mit
Sorge: „Die Vorschläge der Regierung in Bezug auf Internet-Trolle sind
besorgniserregend. Die Entfernung von Inhalten oder Anonymität muss über
einen Gerichtsprozess erfolgen“, erklärte ein Sprecher der Gruppe, „alles
was den Schutz von Informanten beeinträchtigt, untergräbt die Redefreiheit.
Außerdem bedeutet der Gesetzesentwurf eine Verschiebung der Verantwortung
weg von ISPs und sozialen Netzwerken. Das sollte allerdings kein
zwingender, sondern ein freiwilliger Prozess sein.“
## Verbesserung des Umgangstons
David Engel von der Londoner Anwaltskanzlei Addleshaw Goddard sieht in den
Regierungsmaßnahmen eher eine Klarstellung des Gesetzes und weniger eine
Änderung: „Entgegen der landläufigen Meinung war das Internet noch nie ein
rechtsfreier Raum“, betonte der Rechtsanwalt, „aber das neue Gesetz wird es
schwieriger machen, sich hinter Anonymität zu verstecken, um rechtswidrig
zu handeln, wie im Fall der Diffamierung von anderen. Ob es in der Praxis
den allgemeinen Umgangston von Online-Debatten verbessert, bleibt
abzuwarten.“
Privacy International, eine Organisation, die sich international für
Datenschutzfragen einsetzt, befürchtet, „dass ängstliche Webseite-Betreiber
sofort automatisch Nutzerdaten preisgeben werden, in dem Moment in dem
jemand Diffamierung schreit, um sich vor Verleumdungsklagen zu schützen“,
so Emma Draper, Leiterin Kommunikation bei Privacy International. „Wenn es
um die Wahl zwischen dem Schutz der Anonymität von Nutzern und der
Vermeidung einer möglicherweise kostspieligen Klage geht, dann werden viele
kleine Betreiber sich kaum Gedanken darüber machen, ob ein User die Person,
die sich beschwert, wirklich diffamiert hat.“
18 Jun 2012
## AUTOREN
Frank Heinz Diebel
## TAGS
Twitter / X
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