| # taz.de -- England gegen die Ukraine: Und jetzt kommt Rooney | |
| > Der erste Auftritt von Wayne Rooney in diesem Turnier steht an. Und | |
| > obwohl seine Mannschaft sich ohne ihn gut geschlagen hat, kann sie nicht | |
| > auf ihn verzichten. | |
| Bild: Wayne Rooney, the most English man alive. | |
| Es ist ja nicht so, dass er nicht mehr gebraucht würde. Bei diesem Spiel, | |
| dem dritten seiner Mannschaft in dieser Vorrunde, darf sie sich keine | |
| Niederlage erlauben – und das gegen einen leicht über seine Verhältnisse | |
| auftretenden Gegner wie der [1][EM-Gastgeber Ukraine.] | |
| Also muss er wieder den Messias geben, den Heiland, den der englische | |
| Fußball und seine Fans seit acht Jahren in ihm sehen wollen. Wayne Rooney | |
| weiß bei seinem Turniereinstand am Dienstag in Donezk, dass sein Kampf, | |
| sein Spiel, am besten: irgendein Tor von ihm wichtig ist, damit diese | |
| Partie für England nicht schon die letzte bei dieser Europameisterschaft | |
| sein wird. | |
| Bislang sah das Publikum ihn nur auf den Promirängen in Donezk und Kiew – | |
| Rooney war ja für zwei Spiele gesperrt worden nach dem letzten | |
| Qualifikationsspiel gegen Montenegro nach einem üblen Foul gegen einen | |
| gegnerischen Spieler. „Das ist der Preis, den ich für meinen Fehler zahlen | |
| muss. Ich hoffe aber, dass ich in ein Gewinnerteam zurückkehre“, hat er | |
| schon im Herbst eingeräumt. | |
| ## Träume von Wembley 66 | |
| Vier Punkte hat sein Team, könnte aber noch von der Ukraine überholt | |
| werden. „Wayne wird auf seiner Position als hängende Spitze spielen“, sagte | |
| Trainer Roy Hodgson. „Die Jungen dürfen mir jederzeit gerne ein | |
| Luxusproblem bereiten, ich war sehr zufrieden mit ihnen“, sagte der Trainer | |
| der Albions mit Blick auf Andy Carroll, Theo Walcott, beide 23 Jahre, und | |
| Danny Welbeck, 21, die alle gegen die [2][ja nicht schlechten Schweden | |
| trafen]. Trotzdem ist Rooney der Mann, auf den es ankommt: „Wayne ist ein | |
| besonderer Spieler, den man eigentlich nicht rauslassen kann.“ | |
| In dem Wörtchen „eigentlich“ steckt die wirkliche Gefahr für einen wie den | |
| ManU-Gott, für den Spieler, mit dem sein Verein einen Merchandising-Umsatz | |
| wie mit keinem sonst macht, mit dem Akteur, der wie niemand anders so viele | |
| Fantasien beflügelt. Es sind Träume von Fans, dass mit ihm, dem gebürtigen | |
| Liverpooler irisch-katholischer Eltern aus der Arbeiterklasse, der | |
| englische Fußball wieder zu solcher Blüte reifen würde wie dereinst vor | |
| einem knappen halben Jahrhundert in Wembley. | |
| ## Das ewige Versprechen | |
| Rooney, er ist allerdings auch und hier liegt das Problem, ein ewiges | |
| Versprechen – der Platzverweis in der sportlich unwichtigen Partie gegen | |
| die Elf aus den hintersten Gebirgen Exjugoslawiens umreißt den Charakter | |
| dieses Spielers vermutlich sehr genau. Er hat sich nämlich nicht so recht | |
| im Griff. Er neigt zu cholerischem Benimm, er hält seine Fäuste, seine | |
| Kraft, seine Wut für den Kern seiner Vorstellung von | |
| Durchsetzungsfähigkeit. | |
| Rooney, da hat Hodgson natürlich recht, ist ein besonderer Spieler, | |
| hauptsächlich jedoch, weil dieser Fußballbesessene aus einem Milieu stammt, | |
| in dem nicht auf fein gewässerten Rasenflächen geübt wurde, sondern auf den | |
| Straßenpflastern und Bauruinengrundstücken. | |
| Rooney, das war der Traum vom Aufstieg auch seiner Eltern Thomas und | |
| Jeanette Marie – der Erstgeborene sollte seinen flinken Umgang mit dem Ball | |
| zu klingender Münze machen. Er spielte jugendlich beim FC Everton und | |
| wechselte 2004 zu Manchester United. Dort gehört er, der lad, der Kerl mit | |
| den Umgangsformen eines Stiers, bald zum Stamm – so jung wie Rooney war | |
| kein Kapitän dieses Fußballmultis je zuvor. | |
| 2003 debütierte Rooney, nicht einmal volljährig, in der englischen | |
| Mannschaft; am 17. Juni 2004 wurde er der jüngste Spieler, der je bei einer | |
| EM ein Tor erzielte. Kurz darauf brach er sich den Mittelfußknochen; seine | |
| Mannschaft schied im Viertelfinale aus. Acht Jahre ist das nun her, aber | |
| Rooney hat seither nichts mehr erreicht, was ihn in irgendeine Hall of Fame | |
| bringen könnte. | |
| Okay, bei ManU, hier und da einige Tore, auch in der englischen Elf, aber | |
| bei internationalen Turnieren blieb er farblos. Bei der WM 2006 in | |
| Deutschland wurde er nach einem Tackling gegen den Portugiesen Ricardo | |
| Cavalho vom Platz gestellt; das Weltturnier in Südafrika 2010 ließ er | |
| torlos und eindrucksarm hinter sich. In der Partie gegen Deutschland sah er | |
| mehr wie ein Irrlicht denn ein Anführer aus – Rooney, der Star, der Mann, | |
| der in materieller Hinsicht alles längst in trockenen Tüchern hat, blieb | |
| unscheinbar. | |
| ## Der Anti-Beckham | |
| Alles, was er verhieß, konnte er nicht erfüllen. Ein Stürmer, der nie cool | |
| sein konnte, der allen Meriten zum Trotz keine Balance fand, der gern Puffs | |
| besuchte und dort auf die Frau seiner Wahl im Vorzimmer wartete, als | |
| wartete ein ängstlicher Junge auf die Behandlung von Milchzähnen. | |
| Ein Mann, der besonders protzig seine Heirat mit seiner Schulklassenliebe | |
| Colleen inszenierte. Einer, der sein schütteres Haupt in einer Haarklinik | |
| auf gewisse Bauschigkeit korrigieren ließ. Und er trägt ein Tattoo mit der | |
| Inschrift „Just enough education to perform“ – „gerade genug Bildung, um | |
| Leistung zu erbringen“. Fans gerade aus den verbliebenen proletarischen | |
| Schichten lieben solche Anekdoten, Fakten, Storys – gerade weil ihnen jene | |
| Smartness vom Schlage eines Unterhosenmodels wie David Beckham abgeht. | |
| Rooney: Der ist einfach nur roh und peinlich und anbetungswürdig | |
| pannenbehaftet. | |
| Trainer Roy Hodgson weiß spätestens seit dem 3:2 gegen Schweden, dass ein | |
| Rooney von der gezügelten Sorte besser ist als die allermeisten. Aber er | |
| hat erkannt, dass hinter dem 26-jährigen Multimillionär längst andere | |
| herumlungern und darauf warten, für unverzichtbar gehalten zu werden. | |
| Rooney, das steht fest, könnte es bald nicht mehr sein. Gut möglich, dass | |
| dieser „verhinderte Held“, wie ihn die Frankfurter Allgemeine Zeitung | |
| nannte, dann, endlich, zur Ruhe kommen kann. | |
| 19 Jun 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!95607 | |
| [2] /Schweden-England-23/!95483/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
| Jan Feddersen | |
| ## TAGS | |
| Mixed Zone | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| EM-Viertelfinale England-Italien: Von Italien lernen heißt siegen lernen | |
| Englands Trainer Roy Hodgson wünscht sich von seinem Team mehr | |
| Siegermentalität – die der Viertelfinalgegner bereits habe. Trotzdem ist er | |
| zuversichtlich. | |
| Debatte über die Torlinientechnologie: Das Auge sieht mit | |
| Wieder einmal lautet die Frage: War der Ball drin oder nicht? Mit moderner | |
| Technik ließe sich das Problem lösen, aber die war bislang nicht gewollt. | |
| Die Ukraine ist ausgeschieden: „Klären wir das wie Männer!“ | |
| Wie Polen scheitert auch das zweite Gastgeberland der EM in der Vorrunde. | |
| Das ukrainische Team sucht die Schuld für die Niederlage gegen England beim | |
| Referee. | |
| Schweden-England 2:3: Aus der Drehung mit der Hacke | |
| Beiden Mannschaften fällt es schwer, den Ball flach zu halten. Dennoch | |
| gewinnt England das Spiel zweier Chaostruppen. Schweden ist raus. | |
| Frankreich - England 1:1: Zu viel Esoterik | |
| Die Werbung einer Supermarktkette war spannender als das erste | |
| Vorrundenspiel der Gruppe D. Nasri war der beste Mann auf dem Platz und | |
| Rooney nicht da. | |
| England bei Fußball-EM: „Zu weit weg von Europa“ | |
| Keine Fahnen, keine Werbung für die EM, kaum jemand interessiert sich in | |
| England für das Turnier. Das könnte daran liegen, dass die Engländer immer | |
| verlieren, sagt Simon Kuper. |