# taz.de -- Repression in Kasachstan: Krank in der Freiheit | |
> Die internationale Öffentlichkeit ist empört über die Verhaftung des | |
> kasachischen Regisseurs Bulat Atabajew. Der Vorwurf: „Aufwiegelung zum | |
> sozialen Unfrieden“. | |
Bild: Der Theaterregisseur wird im August 2012 mit der Goethe-Medaille für sei… | |
Bulat Atabajew wird quer durch die kasachische Steppe in einem | |
Gefangenentransporter ans Kaspische Meer kutschiert. Am 15. Juni wurde der | |
kasachische Theatermacher in der östlichen Wirtschaftsmetropole am Fuße des | |
Tienschangebirges verhaftet und auf dem Landweg tausende Kilometer westlich | |
in die Hafenstadt Aktau zum Prozess wegen „Aufwiegelung zum sozialen | |
Unfrieden“ verfrachtet. Das kann zehn Tage dauern. | |
„Atabajew hat nichts getan, was die Verhaftung rechtfertigen könnte“, sagt | |
die Leiterin des Gotheinstituts in Almaty, Barbara Fraenkel-Thonet, dies | |
sei ein Schlag gegen die Freiheit der Kunst. Der 60-jährige Theatermann hat | |
mit kritischen Inszenierungen internationale Bekanntheit erworben und soll | |
im August die Goethemedaille der Stadt Weimar erhalten. | |
Die deutsche Öffentlichkeit ist empört. Völker Schlöndorff, der | |
Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung Markus Löning sowie die grüne | |
Bundestagsabgeordnete Viola von Cramon fordern die Freilassung des | |
Künstlers. Berlin und Astana sind sonst sehr freundlich miteinander. Seit | |
Januar gibt es zwischen Deutschland und Kasachstan eine | |
Rohstoffpartnerschaft. | |
„Bulat hat mich gelehrt, dass Theater bewegen muss“, sagt Asan Kurkabakol | |
in den Räumen des deutschen Kulturinstituts in Almaty. Der 27-jährige | |
Schauspieler plant am Montag zusammen mit dem Ensemble die Aufführung von | |
„Lawine“, ein Stück des türkischen Autors Tundjer Djudjenoglu über ein | |
Gebirgsdorf, dessen Bewohner aus Lawinenangst neun Monate flüstern müssen. | |
Dies ist eine von Atabajews jüngsten Inszenierungen. | |
## Provokante Position | |
Der Regisseur bezieht in Kasachstan oft provokant Position und ärgert in | |
der ehemaligen rohstoffreichen Sowjetrepublik die autoritäre Herrschaft des | |
72-jährigen Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Atabajew besuchte im Sommer | |
2011 zweimal streikende Ölarbeiter in Westkasachstan und organisierte in | |
Almaty eine Benefizaufführung von „Lawine“ für die damals seit Monaten im | |
Ausstand befindlichen Arbeiter. Dieses Engagement wurde ihm zum Verhängnis. | |
Im Dezember, zu den Feiern des 20. Unabhängigkeitstages, eskalierte der | |
Streik in der Ölförderstadt Schanaozen, die Polizei schoss in die Menge, | |
ein Dutzend Menschen starben und an die hundert wurden verletzt. | |
Danach begann die Repression. Es kam zu Verhaftungen und Verurteilungen. Im | |
Januar wurde Atabajew angeklagt, blieb aber, anders als viele andere, auf | |
freiem Fuß, musste den Behörden jedoch zur Verfügung stehen. | |
Nach vier absurden Vernehmungen wollte er sich nicht mehr an den kafkaesken | |
Ermittlungen beteiligen. Atabajew widersetze sich den Vorladungen nach | |
Almaty und Aktau. Er kannte die Konsequenzen, sagt dessen Anwältin Gulnara | |
Dschandosowa. „Lieber tot im Gefängnis, als krank in der Freiheit“, schrieb | |
der zuckerkranke Theatermann kurz vor der Verhaftung, die einen | |
internationalen Aufschrei über ein Ereignis provoziert, das im Westen schon | |
längst vergessen war. Dem Regisseur im Transporter dürfte diese Reaktion | |
gefallen. | |
24 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Marcus Bensmann | |
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