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# taz.de -- Kasachischer Regisseur im Gefängnis: Der Repression eins auswischen
> Der Regisseur Bulat Atabajew sitzt seit dem 15. Juni in
> Untersuchungshaft. Der diesjährige Preisträger der Goethe-Medaille bringt
> das autoritäre Regime in Bedrängnis.
Bild: „Blutiger“ Protest vor der Botschaft Kasachstans in Berlin.
ALMATY taz | Der inhaftierte Bulat Atabajew pokert um seine Freiheit. Seit
der Verhaftung des kasachischen Theaterregisseurs am 15. Juni ist das
Regime des rohstoffreichen Landes heftiger Kritik in Deutschland
ausgesetzt. Atabajew erhielt in diesem Jahr die Goethe-Medaille, die ihm
Ende August in Weimar verliehen werden soll.
Die Protestwelle, die von der Künstlerszene bis in die Politik reicht,
untergräbt die Versuche der kasachischen Regierung, das Land zwischen
Kaspischem Meer und Chinas Grenze in Deutschland als modernen Staat
darzustellen.
Anfang Februar wurde aus diesem Grund während des Staatsbesuchs von
Präsident Nursultan Nasarbajew in Deutschland der „Berliner Eurasische
Club“ gegründet. Die Protestwelle gegen die Verhaftung des
Theaterregisseurs lenkt den hiesigen Medienblick auch wieder auf die
blutige Niederschlagung des Ölarbeiterstreiks in Schanaozen im Dezember
2011.
Die Polizei schoss damals in der westkasachischen Ölförderstadt in die
Menge, tötete ein Dutzend und verletzte hundert Menschen. Der Regisseur
hatte die Streikenden im Sommer zuvor besucht und ist nun wegen
Aufwiegelung zum sozialen Unfrieden angeklagt und in Haft.
Bei einer Demo vor der kasachischen Botschaft letzten Mittwoch in Berlin
übergossen sich Demonstranten mit Kunstblut.
Auf einem Wirtschaftstreffen in Hamburg zeigten sich der
Präsidentenschwiegersohn Timur Kulibajew und der kasachische Botschafter
letzte Woche von den Protesten beeindruckt. Der milliardenschwere Kulibajew
versprach eine baldige Lösung. Die Regierung reagiert widersprüchlich.
Erst wurde Atabajew nach der Verhaftung Tausende Kilometer über Land von
der ostkasachischen Wirtschaftsmetropole Almaty nach Aktau kutschiert. Kaum
in der Gefängniszelle angekommen, erhielt der 61-Jährige vergangenen
Donnerstag ein Angebot zur Freilassung, wenn er ein Teilgeständnis ablege
und den seit Januar verhafteten Oppositionspolitiker Wladimir Koslow und
den 2009 nach London geflüchteten Oligarchen Muchtar Abljasow belaste.
## Zusammenarbeit verweigert
Dafür werde er in dem im August zu erwartenden Prozess gegen die
Organisatoren des Aufruhrs nur noch Zeuge sein. Doch Atabajew macht nicht
mit. „Die Bedingungen müssen weg oder mein Bruder bleibt im Gefängnis“,
sagt seine Schwester Danna Atabajewa vor dem Gefängnis in der Hafenstadt
Aktau am Kaspischen Meer.
Die Regierung scheint in der Falle zu sitzen. Bleibt Atabajew in Haft, geht
der Protest in Deutschland weiter, kommt er ohne Zugeständnisse frei, wäre
er der strahlende Sieger und der Prozess gegen die Mitangeklagten verlöre
noch vor Beginn jedwede Glaubwürdigkeit.
Die Affäre um den inhaftierten Träger der Goethe-Medaille ist nicht der
einzige Aussetzer in Astana. Die als stabil eingeschätzte Herrschaft des
autoritären Präsidenten verspielt in der neu errichteten Hauptstadt ein
halbes Jahr nach der gewaltsamen Niederschlagung des Streiks ein auf das
andere Mal das Vertrauen der Bevölkerung.
Ein weiteres Indiz für die Krise ist der Zweifel der öffentlichen Meinung
an der offiziellen Version des Massaker an einem Grenzposten Ende Mai.
## Erschossene Grenzsoldaten
15 Grenzsoldaten wurden in den Bergen an der kasachisch-chinesischen Grenze
erschossen aufgefunden. Ihre Leichen hatte man in Brand gesetzt. Wenige
Tage später stellte sich der einzige überlebende Soldat Wladislaw Tschelach
den Ermittlungsbehörden. Die erklärten, der 19-jährige Soldat habe
gestanden, im Affekt alle Kameraden getötet zu haben. Ein überzeugendes
Motiv für die Tat fehlt bis heute.
Überall in Kasachstan, ob am Küchentisch, im Restaurant oder im Taxi,
diskutieren die Menschen über die rätselhafte Bluttat. Sie zweifeln an der
Aussage des Soldaten und sind überzeugt, dass sein Geständnis erzwungen
wurde, um die wahren Täter zu decken.
Auch der inhaftierte Atabajew gründete wenige Tage vor seiner Verhaftung
ein Solidaritätskomitee für den angeblichen Amokläufer.
Anmerkung der Redaktion: In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch wurde Bulat
Atabajew freigelassen. Vom Gefängnis wurde er, wie unser Autor berichtet,
direkt nach Almaty ausgeflogen. Dort wird er am Nachmittag eine
Pressekonferenz geben. taz.de wird über die Pressekonferenz berichten.
3 Jul 2012
## AUTOREN
Marcus Bensmann
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