# taz.de -- Kompromiss zum Fiskalpakt: „Kommando-Allüren“ bei den Grünen | |
> Die Parteispitze drängt auf Geschlossenheit, doch es gibt jede Menge | |
> Abweichler. Schäuble erwägt eine Volksabstimmung über Übertragung von | |
> Rechten an die EU. | |
Bild: Wirbt für geschlossene Zustimmung: Cem Özdemir vor der Abstimmung am So… | |
BERLIN taz | Nach dem knappen Votum des Grünen-Länderrats drängt die | |
Parteispitze der Grünen auf eine geschlossene Zustimmung der Partei zum | |
Fiskalpakt. | |
Der Parteirat verabschiedete am Montag eine Erklärung, wonach er | |
„erwartet“, dass Grüne in Bundestag, Europaparlament und Landesregierungen | |
die Ratifizierung „geschlossen“ umsetzen. „Natürlich muss eine Entscheid… | |
unseres zweithöchsten Gremiums eine Bindewirkung haben“, sagte die | |
Bundesvorsitzende Claudia Roth. | |
Der Länderrat der Grünen hatte am Sonntag gegen den Willen vieler | |
Europaabgeordneter und Finanzexperten der Partei mit 40 zu 37 Stimmen | |
beschlossen, dem Fiskalpakt ohne weitere Bedingungen zuzustimmen. | |
Reinhard Bütikofer, Chef der deutschen Gruppe der Grünen im | |
Europaparlament, setzt dennoch darauf, dass viele Bundestagsabgeordnete der | |
Partei dem Fiskalpakt die Zustimmung verweigern. „Ohne den | |
Altschuldentilgungsfonds sollte man dem Fiskalpakt nicht zustimmen“, sagte | |
Bütikofer der taz. Die Aufforderung des Parteirats nach Geschlossenheit | |
hält er für schädlich: „Mit solchen Kommando-Allüren verschärft man die | |
Lage unnötig.“ | |
## Mindestens zwei wollen Nein sagen | |
Bütikofer appellierte an die Parteispitze, die Freiheit des | |
Abgeordnetenmandats zu respektieren: „Die Fraktionsführung wäre gut | |
beraten, wenn sie akzeptiert, dass unterschiedliche Ansichten auch im | |
Abstimmungsverhalten zum Ausdruck kommen.“ | |
Die Kritiker aus der Bundestagsfraktion beraten nun nach taz-Informationen, | |
ob sie sich dem Votum des Länderrats beugen. Mit Wolfgang Strengmann-Kuhn | |
und Hermann Ott kündigten zwei Abgeordnete bereits an, standhaft zu | |
bleiben. „Ich sehe mich durch den knappen Ausgang darin bestätigt, nach | |
meinem eigenen Gewissen abzustimmen und nicht zuzustimmen“, sagte Ott der | |
taz. Auch Lisa Paus erklärte: „Das knappe Ergebnis sollte sich im | |
Abstimmungsverhalten widerspiegeln.“ | |
Praktische Konsequenzen hätte ein Nein der Grünen im Bundestag allerdings | |
nicht: Die notwendige Zweidrittelmehrheit können Union, SPD und FDP allein | |
erreichen. Und im Bundesrat, wo grüne Stimmen für eine Mehrheit notwendig | |
sind, werden sie zustimmen, erklärte Baden-Württembergs Ministerpräsident | |
Winfried Kretschmann am Sonntagabend. | |
## Der Bund stützt die Länder | |
Bei einem Spitzentreffen im Kanzleramt hatten sich die Länder mit der | |
Bundesregierung geeinigt. Im Gegenzug für die Zustimmung der Länder | |
verpflichtete sich dabei der Bund, bis 2019 alle Strafzahlungen zu | |
übernehmen, die ein Verstoß gegen die strengen Schuldenregeln des | |
Fiskalpakts zur Folge hätte. | |
Um die Kommunen zu entlasten, deren Schulden beim Fiskalpakt – anders als | |
bei der deutschen Schuldenbremse – mitzählen, unterstützt der Bund sie bei | |
den Kosten für Kinderbetreuung, Grundsicherung und Eingliederungshilfe. | |
Zudem wollen Bund und Länder künftig gemeinsame Anleihen ausgeben. Dadurch | |
sollen die Zinsen für die Länder sinken. | |
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fordert unterdessen einen | |
Volksentscheid darüber, ob Brüssel in Zukunft mehr Rechte von den | |
EU-Staaten übertragen bekommt. Er gehe „davon aus, dass es schneller kommen | |
könnte, als ich es noch vor wenigen Monaten gedacht hätte“, sagte er dem | |
Spiegel. Auf dem EU-Gipfel Ende dieser Woche wollten „die Chefs von vier | |
europäischen Institutionen konkrete Vorschläge für eine vertiefte | |
Integration vorstellen“, kündigte der Minister an und fügte hinzu: „Danach | |
werden wir sehen.“ | |
25 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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