# taz.de -- Schutz der Artenvielfalt: Die Natur bekommt einen Preis | |
> Zahlreiche Schutzgebiete konnten das Verschwinden von Tieren und Pflanzen | |
> bislang nicht stoppen. Laut WWF sterben allein im Regenwald stündlich | |
> drei Arten aus. | |
Bild: Paradies? Weltweit werden Flächen mit Stickstoff überdüngt, den viele … | |
BERLIN taz | Der einsame George, nun ist er hin. Mit dem Tod dieser letzten | |
Galapagos-Riesenschildkröte ist gleich die ganze Tierart gestorben, | |
unzähligen Versuchen ihrer Rettung zum Trotz. Die halbe Welt hat Anteil | |
genommen an diesem Schicksal, denn George liefert eine erzählbare | |
Geschichte. | |
Es gibt zahllose solcher Geschichten – die Umweltorganisation WWF geht | |
davon aus, dass allein im Regenwald stündlich drei Arten aussterben. Doch | |
ihre Geschichten zu erzählen ist schwierig. Sie firmieren unter | |
bürokratischen Begriffen wie „Erhalt der Biodiversität“. | |
Nach Schätzungen des Leipziger Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung | |
kennen wir nicht einmal zehn Prozent aller Tier- und Pflanzenarten auf der | |
Welt, wir kennen nicht einmal ihre Zahl. Zwischen zehn und dreißig | |
Millionen schwanken die Schätzungen. Ebenso diffus ist, wie sich das | |
Verschwinden einer Art auswirkt. „Ökosysteme werden labiler“, sagt Julian | |
Heiermann vom Naturschutzbund Deutschland, „aber letztlich bleibt abstrakt, | |
was passiert.“ | |
Meist sterben Arten, weil ihre Lebensräume in Nutzflächen wie Plantagen | |
umgewandelt werden. Wilde Tiere und Pflanzen werden intensiv zu | |
medizinischen Zwecken benutzt. Weltweit werden Flächen mit Stickstoff | |
überdüngt, den viele Lebewesen nicht vertragen. Gebietsfremde Arten | |
verdrängen heimische. | |
## Übereinkommen zu Schutz der biologischen Vielfalt | |
Seit dem Erdgipfel von Rio 1992 gibt es weltweit eine beeindruckende Zahl | |
von Abkommen zum Schutz der Artenvielfalt. Grundlegend ist das | |
„Übereinkommen zu Schutz der biologischen Vielfalt“ (CBD), dem inzwischen | |
192 Staaten und die EU beigetreten sind. Regelmäßig verhandelt die | |
Staatengemeinschaft auf Konferenzen des Washingtoner Artenschutzabkommens, | |
wie bedrohte Tierarten geschützt werden könnten. | |
Darüber hinaus gibt es Abkommen über wandernde Tierarten, über den Einsatz | |
von Pflanzen- und Insektengiften oder über den Meeresschutz – bislang alles | |
erfolglos. Das Artensterben geht ungebremst weiter. | |
Bislang setzen die Regierungen vor allem auf Schutzgebiete. Die EU-Staaten | |
etwa haben auf 18 Prozent ihrer Landfläche „Natura 2000“-Gebiete | |
eingerichtet, die nur im Einklang mit der Natur bewirtschaftet werden | |
dürfen. | |
Schutzgebiete seien wichtig, sagt Volker Homes, Leiter Artenschutz des WWF. | |
Könne in einem Reservat etwa der Tiger erhalten werden, nutze das auch | |
zahlreichen anderen Arten, die in den verbliebenen asiatischen Wäldern | |
lebten. | |
## Der ökonomischen Wert | |
Allerdings rücken viele Naturschützer mittlerweile vom Konzept der | |
Reservate ab. Stattdessen sollen Tier- und Pflanzenarten einen ökonomischen | |
Wert bekommen. Ein Quadratkilometer Wald etwa wird nicht mehr nur nach dem | |
Preis seines Holzes bewertet, sondern auch danach, wie viel er zur | |
Luftreinhaltung beiträgt, wie viel Wasser und CO2 er speichert oder welchen | |
Naherholungswert er bietet. Ein richtiger Ansatz, so Homes: „Die Natur | |
bekommt einen Preis und wir ein Argument, sie zu schützen.“ | |
Die EU-Landwirtschaftspolitik versucht das seit Jahren: Bauern sollen Geld | |
für Umweltschutz erhalten und nicht mehr für erzeugtes Getreide oder | |
Schweinefleisch. Bislang landet das Geld aber oft noch bei jenen Bauern, | |
die umweltschädlich wirtschaften. Letztlich scheitert wirksamer Artenschutz | |
daran, dass er in dem westlichen Modell von Wohlstand und Wachstum nicht zu | |
machen ist – und ihre Neudefinition erfordert. George wird das nicht mehr | |
erleben. | |
25 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Artenschutz | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bedrohter Kleinbär in den Anden: Noch rechtzeitig entdeckt | |
Zum ersten Mal seit 35 Jahren entdecken Forscher ein neues | |
fleischfressendes Säugetier auf der westlichen Hemisphäre. Doch sein | |
Lebensraum ist in Gefahr. | |
80 Millarden für bedrohte Arten nötig: Artenschutz statt Softdrinks | |
80 Milliarden Dollar sind laut Forschern nötig, um Tiere und Pflanzen vor | |
dem Aussterben zu schützen. Doch die Staaten verhaken sich in alten | |
Streitpunkten. | |
Liste bedrohter Arten: Verschwindende Einzigartigkeit | |
Forscher haben eine Liste der hundert am stärksten vom Aussterben bedrohten | |
Arten der Erde zusammengestellt. Fast alle sind durch den Menschen in | |
Gefahr geraten. | |
Augenlose Riesenkrabbenspinne entdeckt: Die Extremste ihrer Gattung | |
In einer der längsten Flusshöhlen der Welt lebt eine blinde Albinospinne. | |
Deutsche Forscher fanden die zu Fuß jagende Riesenkrabbenspinne in Laos. | |
Autor einigt sich mit Naturschützern: „Schwarzbuch WWF“ entschärft | |
WWF und Verlag treffen eine außergerichtliche Einigung. Autor Wilfried | |
Huismann bleibt bei seiner Kritik, was die Zusammenarbeit mit Monsanto | |
angeht. | |
Kommentar Bedrohte Tierarten: Die Lonesome-George-Formel | |
Der einsame George hat Potenzial: Der Tod der letzten Pinta-Schildkröte des | |
Planeten gemahnt, dass der Erhalt der Lebensgrundlagen Dringlichkeit hat. | |
Riesenschildkröte Lonesome George: Er war kein Frauenheld | |
Auf über 100 Jahre schätzen Forscher das Alter der | |
Galapagos-Riesenschildkröte Lonesome George. Zur Arterhaltung trug der nun | |
Gestorbene nichts mehr bei. | |
was fehlt ...: ... Abingdoni | |
Auf den Galápagos-Inseln herrscht Trauer unter den 2.000 | |
Riesenschildkröten. Ihr Anführer „Lonesome George“ starb ohne Nachfahren … | |
hinterlassen. |