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# taz.de -- Halbfinale Spanien-Portugal: Schicksal. Fado. Stolz
> Es war für Spanien die härteste Probe seit Jahren. Doch der irrsinnige
> Aufwand von Portugals Mittelfeld und Verteidigung wurde nicht belohnt.
Bild: Am Boden: Joao Pereira, Fabio Coentrao, Pepe und Cristiano Ronaldo.
DONEZK taz | Feste Stimme, strahlende Augen, gute Laune. 120 torlose
Minuten und ein Elfmeterschießen lagen hinter Sergio Ramos, als er sich um
kurz vor 2 Uhr nachts den Fragen der Presse stellte. Keine Spur von
Müdigkeit.
Hellwach war er, als er erklärte, wie er sich überlegt hat, seinen Elfmeter
so zu schießen wie er es getan hatte. „Das scheint jetzt Mode zu sein“,
hatte kurz zuvor sein Trainer Vicente del Bosque gesagt. Ähnlich wie Andrea
Pirlo zwei Tage zuvor, hat auch Sergio Ramos seinen Elfer coolen Kopfes und
sicheren Fußes verwandelt und den Ball über den zur Seite weggehechteten
portugiesischen Keeper Rui Patricio gelupft.
Er war stolz, dass er als Verteidiger zeigen durfte, wie gut er mit dem
Ball umgehen kann. So zu schießen, sagte er, habe er sich während des
Elfmeterschießens überlegt, als er bei den ersten zwei Elfmetern gesehen
hat, dass Rui Patricio sich immer in die linke Ecke geschmissen hat.
„Verrückt, oder!“ Er lacht. Er steht nach dem 4:2 im Elfmeterschießen geg…
Portugal im Finale der EM. Spanien kann den Titel am Sonntag im Kiew
verteidigen.
Ein anderer durfte gar nicht erst schießen. Cristiano Ronaldo. Mit offenem
Mund stand er im Mittelkreis. Die Hose hatte er gerafft. Ein wenig sah sie
aus wie eine Windel. Nein, Ronaldo hatte sich nicht in die Hose gemacht. Er
wäre bereit gewesen. Für den fünften Elfmeter im Wettschießen um den Einzug
ins Endspiel war er vorgesehen.
## „Ungerecht, ungerecht, ungerecht.“
Doch nach Cesc Fabregas, dem fünften spanischen Schützen, war das Spiel
entschieden. Es war aus. Fabio Coentrao weinte beinahe hemmungslos, andere
aus der Mannschaft brachen in sich zusammen, konnten sich nicht mehr auf
den Beinen halten. Cristiano Ronaldo stand weiter mit offenem Mund im
Mittelkreis des Stadions von Donezk. Das war knapp, schien er zu denken.
Viel hat er nach dem Spiel nicht gesagt, ein Wort aber immer wieder:
„Ungerecht, ungerecht, ungerecht.“
Er war es, der das Spiel in 120 Minuten nicht für Portugal entscheiden
konnte, obwohl ihm anzusehen war, dass er genau das vorhatte. Ein paar
schöne Ablagen, ein paar sehenswerte Sprints, ein paar nicht so gute
Freistöße, ein sehr guter und diese eine Szene, in der er freie Schussbahn
hatte und das Tor nicht traf. Aus. Vorbei.
„In den ersten 90 Minuten waren wir die bessere Mannschaft“, hat der
portugiesische Trainer Paulo Bento gesagt. „Wir haben das Spiel
kontrolliert und waren die schnellere Mannschaft.“ Recht hat er. Die
irrsinnige Innenverteidigung mit Pepe und Bruno Alves, das irrsinnig
laufstarke Mittelfeld mit Joao Moutinhou und Raul Meireles haben mir ihrer
Präsenz dazu beigetragen, dass die Spanier so viele Fehlpässe geschlagen
haben, wie man es schon lange nicht mehr gesehen hat.
Wann hat man in den letzten Jahren eine Mannschaft gesehen, die gegen
Spanien so weit vorne verteidigt, der es gelingt, die Passmonster von der
eigenen Hälfte fernzuhalten, einfach weil sie selbst immer wieder versucht,
Angriffe zu initiieren? Und doch konnte Cristiano Ronaldo das Spiel nicht
gewinnen. 0:0 nach 120 Minuten, nach 90 starken portugiesischen Minuten,
nach einer halben Stunde Verlängerung, über die sich Bentos Mannschaft, das
hat er selbst so gesehen, gerade noch einmal so hinübergerettet hat.
## Spanien schießt einfach besser
Und dann das „ungerechte“ Elfmeterschießen. Reine Glückssache, wie Sergio
Ramos und dessen Trainer Vicente del Bosque meinten. Paulo Bento, dieser
immer so ernste Mann, wollte das nicht so sehen. Er hatte Respekt vor den
Siegern. „Die haben ihre Elfmeter einfach besser geschossen“, sagte er.
Glück, Pech. In diesem Moment sei das nicht so entscheidend gewesen.
Aber insgesamt im Turnier habe das Schicksal die Portugiesen benachteiligt.
Fünfmal hätten seine Spieler den Pfosten getroffen in diesen Tagen in der
Ukraine und Polen. Im Elfmeterschießen war es Bruno Alves, der gegen den
Balken schoss. Und so war sein letztes Statement bei diesem Turnier von
einer typisch portugiesischen Traurigkeit geprägt, die ansteckend wirkte:
Das Schicksal hat es wieder einmal allzu schlecht gemeint mit dem
geschundenen, kleinen Land. Fado.
Doch die Traurigkeit konnte Bento nicht den Stolz auf seine Mannschaft
nehmen. Der Trainer sprach von einem „fantastischen Turnier“, das seine
Mannschaft abgeliefert habe. „Wir haben gezeigt, dass wir mit jeder
Mannschaft auf jedem Niveau mithalten können.“ Das nimmt er aus dem Turnier
mit – zu recht.
Nach den Italienern und den Kroaten in der Vorrunde, haben nun auch die
Portugiesen gezeigt, wie man den Weltmeister knacken könnte. Die
irrwitzigen Innenverteidiger, das irrsinnig konzentriert arbeitende
Mittelfeld, vor allem Raul Meireles und Moutinho, haben die Spanier mutig
und früh attackiert und die großen Ballverteiler immer wieder zu Fehlern
gezwungen.
So viele Fehler im Passspiel haben die Spanier wohl lange nicht mehr
gemacht. Am Ende war so wenig Tempo im Spiel der Spanier, dass es Trainer
del Bosque zu viel wurde. Er schickte Jesus Navas, Cesc Fabregas und Pedro
auf den Platz. Und vor allem eine Auswechslung sorgte für Raunen im wieder
einmal nicht ganz ausverkauften Stadion von Donezk: Xavi, die nahezu
perfekte Kurzpassmaschine des des modernen Fußballs, musste vom Feld.
„Er hat nicht schlecht gespielt“, stellte del Bosque klar, „er hat das
ganze Turnier über sehr gut gespielt.“ Aber, auch das machte der Trainber
klar, er hat Xavi nicht allein deshalb am Ende der „ersten 90 Minuten“
(Bento) vom Platz genommen, weil dieser müde war. Nein, er wollte das Spiel
beschleunigen. Und siehe da: es klappte.
Was die Spanier in der Verlängerung gezeigt haben, darauf haben viele lange
gewartet. Endlich wurde gerannt, statt getrabt und endlich gab es Chancen,
die herausgespielt wurden, die sich nicht ergeben haben. Sind die Spanier
ohne Xavi etwa besser? Klar, viele seiner auch diesmal wieder unzähligen
Pässe, brachten auch gegen Portugal null Raumgewinn. Dem Publikum hat das
wie schon im Spiel gegen Frankreich nicht gefallen. Es wurde viel
gepfiffen.
## Xavi muss runter
Und doch könnten es am Ende Xavis sichere Pässe gewesen sein, die die
Portugiesen zermürbt haben, denen sie allzu oft vergeblich hinterherlaufen
mussten. Xavis typisches Ballgeschiebe war wohl die Voraussetzung für das
schwungvolle spanische Spiel in der Verlängerung. Er hat die Portugiesen
zermürbt. Am Ende stand eine Botschaft für das Finale: Wenn andere schlapp
machen, dann können die Spanier noch etwas aus dem Hut zaubern.
Klar, Sergio Ramos hat das gefallen. Er weiß, dass „die Leute das spanische
Spiel bislang nicht so geschätzt haben“. Umso mehr freut er sich jetzt auf
das Finale. Und persönlich ist er heilfroh, dass er beweisen konnte, wie
stark seine Nerven sein können. Nicht nur er hat den Elfmeter nicht
vergessen, den er im Halbfinale der Champions League in den Madrider Himmel
gejagt hat. „Ich habe gezeigt, dass ich in diesen Situationen eben doch
Verantwortung übernehmen kann.“ Mit breiterer Brust kann man wohl kaum in
ein Finale gehen.
28 Jun 2012
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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