# taz.de -- Direkthilfe für marode Banken: Keine beschlossene Sache | |
> Die Opposition frohlockt zu früh über Merkels Einlenken in Brüssel. Denn | |
> die wichtigsten Beschlüsse des Euro-Gipfels sind Zukunftsmusik – und | |
> könnten noch scheitern. | |
Bild: Verhandlungssache: Angela Merkel mit EZB-Chef Mario Draghi und Italiens P… | |
BERLIN taz | Die Gipfelbeschlüsse der EU-Staatschefs zur Euro-Rettung | |
hatten am Freitag Koalition wie Opposition in helle Aufregung versetzt. | |
Während Abgeordnete von Union und FDP über das Einknicken der Kanzlerin in | |
Brüssel zürnten, frohlockte die Opposition. Doch beides war verfrüht – denn | |
der relevanteste Beschluss in Brüssel wird erst in ferner Zukunft | |
verwirklicht werden. Wenn überhaupt. | |
Darum geht es: Die europäischen Rettungsschirme ESM und EFSF sollen in | |
Zukunft marode Banken direkt mit frischem Geld ausstatten dürfen. Dies ist | |
als Idee sinnvoll. Wenn etwa Spanien seine Banken rekapitalisieren wollte, | |
musste sich der Staat erst Geld vom EFSF leihen und dies an die Banken | |
weiterreichen. | |
Dieser Kredit erhöhte die Schuldenquote drastisch, Zinsen für spanische | |
Staatsanleihen stiegen, das Land rutschte noch tiefer in die Schuldenfalle. | |
Durch die geplanten Direkthilfen fiele der teure Umweg weg. | |
Ein solcher Mechanismus ist bisher jedoch Zukunftsmusik. „Es ist kein neues | |
Instrument der direkten Bankenhilfe automatisch geschaffen worden“, betonte | |
Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Es gebe nur die Einigung, | |
sich auf den Weg zu einer europäischen Bankenaufsicht zu machen. Erst wenn | |
eine solche existiere, seien direkte ESM-Hilfen an Banken möglich. | |
## Einstimmiger Beschluss des EU-Rats nötig | |
In der Tat: Bis es zur von der Opposition gelobten Direkthilfe kommt, | |
dauert es – und das Projekt könnte noch platzen. Merkel und die anderen | |
Staatschefs nehmen in der Gipfelerklärung, in der sie eine gemeinsame | |
Bankenaufsicht fordern, ausdrücklich Bezug auf einen wichtigen | |
Rechtsparagraphen. Der Artikel 127 Absatz 6 des so genannten „Vertrags über | |
die Arbeitsweise der EU“ schreibt nämlich einen einstimmigen Beschluss des | |
EU-Rats vor. Ein einstimmiger Beschluss, betont Seibert deshalb, sei für | |
die gemeinsame Bankenaufsicht nötig. | |
In dem EU-Rat sitzen die Staats- und Regierungschefs aller 27 EU-Länder. | |
Auch Länder wie Tschechien oder Großbritannien, die eine europäische | |
Zentralisierung skeptisch sehen, schicken Vertreter. Selbst Experten in der | |
Koalition bezweifeln, dass dieses Gremium sich einhellig auf eine | |
gemeinsame Bankenaufsicht einigt. | |
„Meine Prognose ist: Die Briten werden sich äußerst schwertun, ein | |
Vertragswerk ratifizieren, das den Londoner Finanzplatz schwächt“, sagt | |
Gunther Krichbaum (CDU), Chef des Europa-Ausschusses im Bundestag. | |
Großbritannien habe sich schließlich auch der Finanztransaktionssteuer | |
verweigert. | |
„Deshalb fehlt mir derzeit die Phantasie mir vorzustellen, wie eine solche | |
Bankenaufsicht überhaupt geschaffen werden soll.“ Was mancher | |
Oppositionsstratege also bereits als Erfolg verbuchte, ist wacklig. | |
## Bundestag müsste mitreden | |
Auch innenpolitisch stehe man vor beträchtlichen Hürden. „Ich wage keine | |
Prognose, wann sich das Parlament wieder mit dem ESM befassen muss“, sagte | |
der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Barthle. „Sicher ist nur: Es wird einige | |
Zeit dauern, bis dies nötig sein wird.“ An zwei Punkten müsste der | |
Bundestag mitreden. Einmal bräuchte die ESM-Neujustierung eine Freigabe, | |
auch müsste das nationale Beteiligungsgesetz geändert werden. | |
Und Barthle macht klar, dass die Vorstellungen auch nach dem | |
Gipfelbeschluss, bei dem Merkel dem Druck von Italiens Regierungschef Mario | |
Monti nachgab, auseinanderliegen. „So wie es sich Monti vorstellt, würde es | |
diese Koalition nicht mittragen. Wir sind nicht bereit, aus dem ESM eine | |
Bad Bank zu machen.“ | |
2 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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