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# taz.de -- Kommentar Appell Wirtschaftsprofessoren: Politischer Muntermacher
> Der Appell der 172 Wirtschaftsprofessoren ist ein wichtiger Schritt der
> ökonomischen Alphabetisierung. Das Papier ist ein Beitrag zur Aufklärung.
Bild: Steile Thesen: Hans-Werner Sinn und andere Ökonomen kritisierten die gep…
Man muss den [1][Aufruf der 172 Wirtschaftsprofessoren], in dem diese Front
gegen die Beschlüsse des jüngsten Brüsseler Eurogipfels machen, keinesfalls
gut finden, um trotzdem zu konstatieren: Vielleicht brauchte es gerade
diesen öffentlichkeitswirksamen Rückfall in die „Stammtisch-Ökonomie“,
damit die Debatte über den Kurs der Eurorettung ein bisschen vorankommt.
Wenn man so will, ist das Papier und was darauf folgte, ein Beitrag zur
Aufklärung.
Die Diskussion über den Appell hat es immerhin vermocht, etwas noch einmal
auf die Tagesordnung zu setzen, was man sonst ja gern schnell wieder
vergisst in Zeiten der galoppierenden Krise: die Brüsseler
Gipfelergebnisse. Dass über diese nun noch einmal in einer Weise debattiert
wird, die auch für breitere Kreise verständlicher ist, wird man kaum einen
Nachteil nennen wollen. Wer noch die [2][Regierungserklärung von Angela
Merkel] zu den Gipfelergebnissen in Erinnerung hat, in der diese
passagenweise in einer Art Geheimsprache gar nicht erst versuchte, vor der
„Volksvertretung“ so zu reden, dass man es auch kapiert, kann sich sogar
über eine etwas zu sehr vereinfachende Ökonomen-Debatte freuen.
Außerdem erhellt die Diskussion über den Appell auch die Stellungslage auf
dem politischen Feld, auf dem die volkswirtschaftlichen Wahrheiten hin und
her getragen werden: Da springt die Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht dem
neoliberalen Talkshowprofessor Hans-Werner Sinn bei; da unterschreibt den
Anti-Merkel-Aufruf auch der Vorsitzende des Wissenschaftlerbeirats von
Wolfgang Schäuble, während der Finanzminister selbst von einer „Verwirrung
der Öffentlichkeit“ spricht. [3][Und im Gegen-Aufruf], der inzwischen auch
erschienen ist, rücken plötzlich Wirtschaftsexperten zusammen, die sonst in
zentralen Fragen gegensätzliche Auffassungen vertreten.
Und schließlich kann der Appell der 172 noch etwas erreichen: Mit dem
Offenen Brief ist die Schlagseite einer bestimmten Form der Euro-Kritik zum
Thema in den Abendnachrichten geworden. Das ist von der öffentlichen
Wirkung vielleicht mehr, als bisher die Warnungen vor nationalistischen
Klischees in der Krisendebatte vermochten.
So richtig der Vorwurf in dem Gegen-Brief von Gustav Horn, Michael Hüther
und anderen ist, dass der Appell „insbesondere Ängste und Emotionen vor
einer Bankenunion“ schürt und das Ressentiment gegen die Wall-Street und
die City of London mobilisiert, die nun auf Kosten „der Bürger anderer
Länder, die mit all dem wenig zu tun haben, ihre Geschäfte betreiben
dürfen", so sehr ist der Aufschrei darüber schon ein wichtiger Schritt der
ökonomischen Alphabetisierung. Das „Schreckgespenst“, das Hans-Werner Sinn
und andere in Umlauf gebracht haben, wird so zum politischen Muntermacher –
gegen die Intention seiner Urheber.
7 Jul 2012
## LINKS
[1] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/protestaufruf-der-offene-brief-der-oe…
[2] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Regierungserklaerung/2012/2012-06-…
[3] http://www.handelsblatt.com/politik/international/gegenposition-im-wortlaut…
## AUTOREN
Tom Strohschneider
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