# taz.de -- RAF-Prozess: Das Becker-Urteil kommt | |
> Der Mammut-Prozess um die Ermordung Siegfried Bubacks im Jahr 1977 geht | |
> zu Ende. Das Oberlandesgericht Stuttgart verkündet seine Entscheidung. | |
> Was ist denkbar? | |
Bild: Gefängnis oder Freiheit? Verena Becker wird es erfahren. | |
FREIBURG taz | Wird Verena Becker am heutigen Freitag wegen Beteiligung am | |
Buback-Mord der RAF verurteilt oder freigesprochen? Muss die 59-Jährige | |
noch einmal ins Gefängnis oder kommt sie mit einer Bewährungsstrafe davon? | |
Das entscheidet heute – nach einem Mammutprozess mit 95 Verhandlungstagen – | |
das Oberlandesgericht (OLG) in Stuttgart. | |
Im April 1977 ermordete ein Kommando der RAF den damaligen | |
Generalbundesanwalt Siegfried Buback. Ein Motorad fuhr neben seinen Wagen, | |
die Person auf dem Sozius erschoss Buback und zwei Begleiter. Ende Mai wird | |
Verena Becker gemeinsamen mit Günter Sonnenberg festgenommen. In | |
Sonnenbergs Gepäck findet sich die Tatwaffe. | |
Doch Becker wird nicht wegen des Buback-Mordes angeklagt, sondern wegen | |
einer Schießerei bei ihrer Festnahme. Wegen mehrfachen Mordversuchs erhält | |
sie eine „lebenslange“ Haftstrafe. Nach den langwierigen Prozessen gegen | |
Baader und Co wollte die Bundesanwaltschaft (BAW) ein kurzes, einfaches | |
Urteil. Das Verfahren wegen des Buback-Mordes wurde 1980 eingestellt, 1989 | |
wurde Becker aus Gesundheitsgründen begnadigt. | |
Wegen des Buback-Mordes wurden bisher nur Christian Klar, Knut Folkerts und | |
Brigitte Mohnhaupt verurteilt. Klar soll das Fluchtauto gefahren haben, | |
Folkerts wurde von der Anklage als Schütze gesehen (das Urteil 1980 ließ | |
dies offen), Mohnhaupt sei Rädelsführerin gewesen. Günter Sonnenberg gilt | |
als Fahrer des Motorrads, wurde jedoch aufgrund einer Verletzung nicht | |
wegen des Buback-Attentats angeklagt; er erhielt sein „Lebenslänglich“ | |
wegen anderer Taten. | |
## „Schützende Hand“ | |
Erst 2007 wurde wieder über den Buback-Mord diskutiert. Christian Klar | |
hatte Begnadigung beantragt, und Michael Buback, der Sohn des Opfers, | |
wollte wissen, ob Klar seinen Vater erschossen hatte. Damals erklärte der | |
Ex-RAFler Peter Jürgen Boock, dass wohl Stefan Wisniewski der Schütze | |
gewesen sei. Dann wurde bekannt, dass Verena Becker 1981/82 in einer | |
Aussage beim Verfassungsschutz ebenfalls Wisniewski als Schützen nannte. | |
Die BAW leitete Ermittlungen gegen Wisniewski ein, der bisher nur wegen | |
Beteiligung an der Schleyer-Ermordung in Haft saß. | |
Michael Buback aber begann zu recherchieren und stieß auf Zeugen, die eine | |
zierliche Person auf dem Sozius gesehen haben wollten. Er verdächtigte nun | |
Becker und unterstellte, dass sie schon 1977 für den Geheimdienst arbeitete | |
und dieser später eine „schützende Hand“ über sie gehalten habe. | |
Buback schrieb darüber das Buch „Der zweite Tod meines Vaters“. Gegen | |
Becker wurde erst im April 2008 ein Ermittlungsverfahren eröffnet, weil | |
eine DNA-Tatortspur möglicherweise von einer Frau stammen könne. Ein | |
DNA-Vergleich ergab im Februar 2009 Beckers Speichelspuren an Briefmarken | |
von Bekennerschreiben. Bei einer Hausdurchsuchung fanden sich zudem | |
Notizen, bei denen Becker von „Täterwissen“ und „Schuld“ schrieb (was … | |
später auf die RAF-Zeit, nicht auf den Buback-Mord bezog). Im August 2009 | |
kam Becker in U-Haft, wurde aber vier Monate später mangels Fluchtgefahr | |
entlassen. | |
## Unglaubwürdige Zeugen | |
Im September 2010 begann der Prozess gegen Verena Becker. Michael Buback | |
trat als Nebenkläger auf und versuchte zu belegen, dass Becker seinen Vater | |
erschossen hat. Doch die von ihm benannten Zeugen waren oft unglaubwürdig | |
oder widersprachen sich gegenseitig. An ein groß angelegtes | |
Vertuschungskomplott zugunsten Beckers glaubt außer Michael Buback kaum | |
noch jemand. | |
Die BAW sah Becker nie als Schützin, aber als voll verantwortliche | |
Mittäterin des Attentats. Auch dieser Vorwurf ließ sich im Prozess nicht | |
belegen. Eine Zeugin, die Becker am Vortag des Anschlags in Karlsruhe | |
gesehen haben will, erwies sich als dubios. Die BAW zog den Vorwurf der | |
Mittäterschaft zurück. | |
Es bleibt der Vorwurf der Beihilfe, weil Becker sich im Vorfeld „vehement“ | |
für den Mord eingesetzt haben soll. Die BAW forderte vier Jahre und sechs | |
Monate Haft, davon sollen aber zwei Jahre wegen der früheren Verurteilung | |
als bereits verbüßt gelten. Eine verbleibende Haftstrafe von zweieinhalb | |
Jahren könnte allerdings nicht zur Bewährung ausgesetzt werden – Becker | |
müsste noch einmal ins Gefängnis. | |
Verena Becker machte erst gegen Ende des Verfahrens eine Aussage. Sie sei | |
am Tag des Attentats im Nahen Osten gewesen. Das RAF-Treffen, bei dem der | |
Mord beschlossen wurde, habe sie vorzeitig verlassen. Die Verteidigung | |
forderte Freispruch für Verena Becker. Die Urteilsverkündung beginnt um 13 | |
Uhr und wird mehrere Stunden dauern. | |
6 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Revision | |
Rote Armee Fraktion / RAF | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Urteil des OLG Stuttgart: Frei von Rechtsfehlern | |
Die Revision der Ex-RAF-Terroristin Verena Becker ist gescheitert. Damit | |
ist die 59-Jährige rechtskräftig wegen Beihilfe zum Buback-Mord verurteilt. | |
Prozess um Buback-Ermordung: Becker wegen Beihilfe verurteilt | |
Verena Becker wird wegen Beihilfe am Mord von Generalbundesanwalt Siegfried | |
Buback verurteilt. Der Tatverlauf bleibt ungeklärt. | |
Letztes Plädoyer im Becker-Prozess: Freispruch für Ex-RAFlerin gefordert | |
Die Verteidigung der ehemaligen RAF-Terroristin Verena Becker fordert einen | |
Freispruch. Es sei nicht bewiesen, dass sie an dem Attentat auf Siegfried | |
Buback beteiligt war. | |
Staatsanwalt will RAFler „begnadigen“: Dealen für die Wahrheit | |
Der Stuttgarter Generalstaatsanwalt will Ex-RAFler „gnadenähnlich“ | |
behandeln, wenn sie unbewiesene Morde gestehen. Nach so viel Zeit sei | |
Wahrheit wichtiger als Strafe. | |
Plädoyers im RAF-Prozess: Bubacks Wahrheiten | |
Nebenkläger Michael Buback sieht es als erwiesen an, dass Verena Becker | |
seinen Vater erschossen hat und von „mächtigen Verbündeten“ gedeckt wurde. | |
Prozess gegen RAF-Terroristin Becker: „Becker ist schuldig“ | |
Verena Becker habe den Buback-Mord „mit verursacht“, plädiert die | |
Bundesanwaltschaft. Sie habe aber weder geschossen noch die Tat unmittelbar | |
vorbereitet. | |
Beckers Aussage vor Gericht: „In allen Punkten unzureichend“ | |
Nach Aussage von Verena Becker gibt sich Nebenkläger Michael Buback | |
enttäuscht. Sie hätte wenigstens sagen können, wer zum Attentat in | |
Karlsruhe war, so Buback. |