Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kritisches Buch von Feministin Moran: Der Traum von der perfekten F…
> Caitlin Moran gilt als neue „unverkrampfte“ Feministin. Mit „How to be a
> woman“ legt sie ein schnoddriges, undogmatisches Buch im
> Geschlechterkampf vor.
Bild: Wie man es macht, macht man es falsch. Oder?
Mit dreizehn schreibt sie in ihr Tagebuch: „Ich teile meine Matratze mit
einem Krabbelkind. Ich besitze noch nicht einmal einen eigenen Schlafanzug,
sondern muss die alte Thermowäsche meines Vaters auftragen. Ich bin 82 Kilo
schwer, ich habe kein Geld und keine Freunde, und wenn ein Junge mich
sieht, schmeißt er mir Steine hinterher.“
Mit dreizehn ist Caitlin Moran, die Autorin dieser Zeilen, nicht nur das
älteste von acht Geschwistern, sondern das scheinbar unglücklichste Mädchen
im ganz Wolverhampton. Sie will das ändern, im Tagebuch notiert sie: Mit
achtzehn wolle sie dünner sein, Freunde, coole Klamotten und Ohrlöcher
haben.
Das hat zwar nicht geklappt, zumindest nicht zum festgelegten Zeitpunkt.
Dafür ist sie heute, mit siebenunddreißig, eine der angesagtesten
Autorinnen Englands. Mit „How to be a woman“ legte die Musikjournalistin
und TV-Moderatorin eine Art romanhafte Autobiografie vor, die auf der Insel
seit einem Jahr auf der Bestsellerliste steht und vor Kurzem mit dem
Untertitel „Wie ich lernte, eine Frau zu sein“ auf Deutsch erschienen ist.
Es ist die Geschichte einer chancenlosen, wütenden Außenseiterin, aus der
eine erfolgreiche, unangepasste Aufsteigerin wird.
Moran erzählt von der Enge zu Hause, ihrer unentwegt schwangeren
Hippie-Mutter, unglücklichen Lieben, vom Mann des Lebens und vom Traum von
der perfekten Frau. Es geht um Menstruation und Monatsbinden, um Sex und
Sexismus, um Körperbehaarung und Kinderkriegen.
## Wirkliche Lust? Nirgendwo zu sehen
Als sie mit dreizehn Masturbation und Pornografie entdeckt und beides
genießt, wundert sie sich: Warum gibt es in den Pornos nur diese
„standardisierten Ficks“, „blutleere Nacktgymnastik, die nur aus
Turbopenetration und demonstrativem Abspritzen“ bestehen. Sie will ehrliche
Gefühle: „Leute, denen man ansehen konnte, dass sie wirklich Lust
aufeinander hatten.“ Als Moran Brüste kriegt, fragt sie sich, wie sie sie
nennen könnte: „Titten? Möpse? Simon & Garfunkel?“
Sie hat Spaß am Sex, sie will viel davon, und er soll gut sein. Sie wundert
sich wieder: Wieso wird sie als sexuell aktive Frau als Freiwild
betrachtet, selbst in ihrer coolen Musikredaktion? Ihr Chef zieht sie auf
seinen Schoß, um „in Ruhe über die Titelgeschichte zu reden“. Aber Moran
lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen: „Du hast es so gewollt, du
Arsch.“ Sie lässt sich schwer auf seine Oberschenkel fallen und raucht erst
mal eine.
All diese biografischen Geschichten bilden nur die Oberfläche für den
Anspruch der Frau an eine geschlechtergerechte Welt. Aber weil Moran das so
wunderbar schnoddrig, selbstironisch und tabulos erzählt, muss die Autorin
bereits herhalten für etwas, das heute gern als „unverkrampfter Feminismus“
bezeichnet wird, etwas, das „selbst den Männern Spaß macht“.
In der Tat geht Caitlin Moran unideologisch vor, aber dennoch nicht weniger
kämpferisch. Sie nennt sich Feministin, sie lebt feministisch – mit Ehemann
und zwei Kindern. Feminismus ist für sie „die Überzeugung, dass Frauen
genauso frei sein sollten wie Männer, egal, wie durchgeknallt, dämlich,
schlecht gekleidet, fett, faul und eingebildet sie sein mögen.“
## „Und was macht deine Mama so?“
Als sie ihr erstes Kind bekommt, sieht sie sich gezwungen, sich zu
entscheiden. Sie macht sich gefasst auf die Frage, die ihrer Tochter eines
Tages gestellt werden wird: „Und was macht deine Mama so?“ Manche Kinder
antworten dann: „Sie weiß, wie die Mutter von Ally McBeal heißt.“ Die
Antwort ihrer Tochter soll anders ausfallen, nämlich so: „Sie ist CEO
(Chief Executive Officer) des internationalen Imagineering-Konzerns, der
den Nahen Osten befriedet hat. Und sie weiß, wie die Mutter von Ally McBeal
heißt.“
Den Arbeitgebern, die Mütter fürchten, gibt sie einen Tipp: Mütter würden
vielleicht mal einen Tag frei nehmen, aber sie sind die „Einzigen, die für
die Entwicklung eines mittelfristigen Strategiepapiers nicht mehr Zeit
brauchen als der Aufzug für die Fahrt vom 24. Stock ins Parterre“
## ■ Caitlin Moran. „How to be a woman. Wie ich lernte, eine Frau zu sein�…
Ullstein Verlag, Berlin 2012, 382 Seiten, 16,99 Euro
8 Jul 2012
## AUTOREN
Simone Schmollack
## TAGS
Missbrauch
Schwerpunkt Occupy-Bewegung
## ARTIKEL ZUM THEMA
Schlagloch sexuelle Gewalt: Linke Herrenwitze
Noch immer heißt nein nicht nein. Über die vielen Facetten sexueller
Gewalt.
Sprache und Feminismus: Angst vor dem Einfachen
FeminstInnen haben Anliegen, die alle angehen. Warum formulieren sie die
dann so, dass nur sie selbst sie verstehen? Ein Ortstermin.
Antifeminismus im italienischen Netz: Frauenhass? Gefällt mir!
In Italien mehren sich Webseiten mit frauenfeindlichen Inhalten – vor allem
auf Facebook. Das Online-Netzwerk unternimmt nichts dagegen.
Frauenmagazine und Sexismus: Faschismus auf Hochglanzpapier
Frauenmagazine beraten nicht – sie entmündigen. Zeitschriften wie „Glamour…
oder „Jolie“ sind voll von hinterhältig penetranten, menschenverachtenden
Tipps.
Die Werbepause: Versagen ist rosa
Die EU-Kommission wollte junge Frauen ermutigen, sich mehr für Wissenschaft
zu interessieren. Das ging gehörig nach hinten los – oder eben grade nicht.
Feminismus in den USA: Alles auf Anfang
Anne-Marie Slaughter gab die Karriere in Washington zugunsten ihrer Familie
auf und provozierte einen Aufschrei und die Frage, was Frauen tun sollten
und was nicht.
Feminismus in der Occupy-Bewegung: „Die Krise ist immer auch Frauenkrise“
Ob in Spanien oder Griechenland: Frauen sind die ersten Verlierer der
Krise. Occupy-Aktivistinnen diskutieren die Schwierigkeit, die
feministischen Bewegungen zu vernetzen.
Verschiedenheit von Menschen: Liberal, queer und fromm
Ruth Heß, die neue Gleichstellungsbeauftragte der Evangelischen Kirche,
hinterfragt die Zwei-Geschlechtlichkeit und sieht darin kein theologisches
Problem.
Kolumne Luft und Liebe: Bei echten Sexisten im Hirn
Wie hätten Sie diese Kolumne denn gerne? Gepiepst? Geheult? Gekeift?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.