# taz.de -- Das Netz im Visier der Fernmeldeunion: Angst vor der Regulierung | |
> Bisher wird das Netz nicht staatlich reguliert: Jeder kann sich mit jedem | |
> vernetzen. Doch einigen Staaten ist das ein Dorn im Auge und sie hoffen | |
> nun auf die Fernmeldeunion der UN. | |
Bild: Wer darf sich wie verbinden? Und wer bestimmt das? | |
BERLIN dpa | Jeder Computer kann sich mit jedem vernetzen, weltweit, allein | |
mit Hilfe technischer Protokolle, aber ohne Vorgaben staatlicher Behörden: | |
„Auf dieser bisherigen Basis funktioniert das Internet eigentlich ganz | |
gut“, sagt der Vizepräsident der Internet Society (ISOC), Markus Kummer. | |
Doch der Schweizer Diplomat macht sich Sorgen, dass einige Staaten die | |
offene Infrastruktur des Netzes unter eine striktere Kontrolle bringen | |
wollen: Ihr Hebel könnte eine Weltkonferenz der Internationalen | |
Fernmeldeunion (ITU) in Dubai werden. | |
Auf der Tagesordnung dieser Weltkonferenz zur internationalen | |
Telekommunikation (WCIT) vom 3. bis 14. Dezember: eine Neufassung der | |
Internationalen Telekommunikationsregulierungen (ITR) aus dem Jahr 1988. | |
Dieses Abkommen habe einen wichtigen Beitrag zur Liberalisierung der | |
Telekommunikation geleistet, erklärt Kummer. Aber „überhaupt kein Abkommen | |
ist auch eine Lösung“ – denn in Dubai erwartet der ISOC-Diplomat „jede | |
Menge von Vorschlägen, die zu mehr Regulierung führen würden“. | |
Die von den Mitgliedsstaaten der UN-Sonderorganisation eingebrachten | |
Vorschläge für die WCIT sollten zwar nicht an die Öffentlichkeit – | |
Aktivisten haben aber [1][etliche Dokumente] im Netz veröffentlicht. | |
Einigen Initiativen geht es um mehr technische Sicherheit fürs Internet. | |
Andere haben offenbar zum Ziel, missliebige Meinungen und Kampagnen | |
fernzuhalten. | |
So hat etwa Russland Ausnahmen für den ungehinderten Zugang zur | |
Telekommunikationsinfrastruktur vorgeschlagen – in Fällen, in denen der | |
Zugang der Absicht dient, „sich in die inneren Angelegenheiten anderer | |
Staaten einzumischen sowie die Souveränität, nationale Sicherheit, | |
territoriale Integrität und öffentliche Sicherheit zu untergraben“. Damit | |
könnten dann Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit | |
legitimiert werden, erklärte dazu das Zentrum für Demokratie und | |
Technologie (CDT) in Washington. | |
Kummer stellt infrage, ob die ITU überhaupt die Kompetenz hat, sich mit | |
Regeln für die Netz-Infrastruktur zu befassen. „Das Internet ist | |
verschieden von der Telefonie und hat ganz andere Grundvoraussetzungen“, | |
sagt er. Das Internet funktioniere nicht mit einer leitungsbasierten | |
Kommunikation, sondern mit „Packet Switching“, über den Transport von | |
vielen Datenpaketen in einem dezentralen Netz. „Und es geht nicht um | |
Kommunikation zwischen zwei Teilnehmern, sondern um Teilhabe aller.“ | |
## „Viel energischer und besser organisiert“ | |
Vor einer „neuen globalen Bürokratie“ im Rahmen der ITU warnt Robert | |
McDowell von der US-Telekommunikationsbehörde FCC. Das bisherige Konzept | |
eines „Multi-Stakeholder-Modells“ mit einer Vielzahl von Akteuren in der | |
Selbstorganisation der Internet-Infrastruktur habe sich bewährt. McDowell | |
ist aber besorgt, ob dieses erhalten werden kann, weil „die für eine | |
Regulierung eintretenden Kräfte bisher viel energischer und besser | |
organisiert sind als diejenigen, die einen Multi-Stakeholder-Ansatz | |
befürworten“, schrieb er in [2][einem Beitrag für das Wall Street Journal]. | |
Und die Regulierungsbefürworter benötigten auf der ITU-Konferenz lediglich | |
die einfache Mehrheit der 193 Mitgliedsstaaten. | |
In Deutschland findet die Konferenz im Dezember bislang kaum Beachtung. Das | |
Thema sei sehr komplex und sehr intransparent, sagt der Netzpolitik-Blogger | |
Markus Beckedahl, Vorstandsvorsitzender des Vereins Digitale Gesellschaft. | |
„Wir versuchen, darauf aufmerksam zu machen, aber das ist nicht so einfach | |
wie in der Acta-Debatte.“ Die Digitale Gesellschaft hat | |
[3][//www.cdt.org/files/pdfs/Civil_Society_WCIT_Letter%20.pdf:einen Offenen | |
Brief] vieler Organisationen an ITU-Generalsekretär Hamadoun Touré mit | |
unterzeichnet, in dem eine Beteiligung der Zivilgesellschaft und die | |
Veröffentlichung aller Dokumente zur Vorbereitung der Konferenz gefordert | |
wird. | |
„Wir wollen auf jeden Fall beibehalten, dass wir offene Netzwerke mit | |
freiem Zugang zu allen Inhalten für alle haben“, fordert Kummer. „Was wir | |
sicher nicht möchten, ist ein Schritt zurück zu weniger Liberalisierung, | |
weniger Transparenz und mehr Regulierung.“ | |
Die ISOC, die sich mit mehr als 6.000 Einzelpersonen und 130 Organisationen | |
aus mehr als 170 Staaten um die Weiterentwicklung der | |
Internet-Infrastruktur kümmert, kann als angeschlossenes Mitglied („sector | |
member“) der ITU zwar an den Verhandlungen teilnehmen, hat aber kein | |
Mitspracherecht. Kummer setzt seine Hoffnungen auf die Öffentlichkeit im | |
Netz. Und die kann durchaus wirksam sein, wie das Scheitern des | |
Urheberrechtsabkommens Acta in der EU gezeigt hat: „Internet-Nutzer sind | |
nicht mehr bereit, das hinzunehmen, was Regierungen hinter verschlossenen | |
Türen aushandeln und ihnen vorsetzen.“ | |
9 Jul 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://wcitleaks.org/ | |
[2] http://online.wsj.com/article/SB10001424052970204792404577229074023195322.h… | |
[3] http://https | |
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EU-Parlament | |
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