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# taz.de -- Finanztransaktionssteuer eingeführt: Ungarn mal ganz unorthodox
> Budapest führt eine Finanztransaktionssteuer ein. Für Spekulanten hat sie
> kaum Folgen, für Kunden schon. Viele halten die Abgabe für
> verfassungswidrig.
Bild: Das könnte der kleine Mann sein, der es immer abkriegt: Fleischerei in B…
WIEN taz | Sonst ist die rechtsgerichtete Regierung in Budapest als
rückständig verschrien. Jetzt prescht ausgerechnet Ungarn mit einer
Finanztransaktionssteuer voran. Anfang der Woche segnete das Parlament im
gewohnten Schnellgang die Regierungsvorlage ab. Ab 2013 werden nun
sämtliche Finanztransaktionen in Ungarn mit 0,1 Prozent besteuert.
Spekulationen werden laut Experten dadurch kaum eingedämmt. Geschröpft
werden die kleinen Kunden.
András Inotai vom Institut für Weltwirtschaft der ungarischen Akademie der
Wissenschaft redet sich schnell in Rage, wenn er auf das Thema angesprochen
wird: „Das ist keine Wirtschaft, das ist Psychiatrie.“ Das Gesetz hält er
für verfassungswidrig, zudem widerspreche es den Vorgaben der Europäischen
Zentralbank.
Ungarns EU-Beitrittsvertrag verlangt, dass jedes Gesetz, das die
Zentralbank betrifft, der EZB vorgelegt und von ihr abgesegnet werden muss.
Die Besteuerung der Transaktionen der Ungarischen Zentralbank (MNB) falle
ganz eindeutig darunter. Besteuert werden nämlich nicht in erster Linie
spekulative Transaktionen, sondern alle Bankgeschäfte, selbst
Bareinzahlungen von kleinen Sparern, Kreditkartenzahlungen und alle
Geldgeschäfte der Zentralbank.
„Unsinnig und illegal“, urteilt auch MNB-Gouverneur András Simor. Als die
Gesetzesvorlage diskutiert wurde, war davon noch keine Rede. Premier Viktor
Orbán zeigte sich wie immer kritikresistent: „Die Regierung wird sich nicht
weiter an einem Streit über die Finanztransaktionssteuer für die
Nationalbank beteiligen“, verkündete er in einem Interview. Schließlich
könne die Zentralbank „selbst entscheiden, wie sie mit der Steuerbelastung
umgeht.“
## Nichts ändert sich
Für die Zentralbank selbst ist das ein Nullsummenspiel. Sie führt jährlich
rund 100 Milliarden Forint (rund 345 Millionen Euro) an Gewinnen an das
Finanzministerium ab. Etwa diesen Betrag werde sie durch die Besteuerung
verlieren, schätzt Inotai. Die Regierung hole sich also das Geld, das sie
ohnehin bekommen würde, nur eben früher. Ohnehin muss die Regierung
Verluste der Zentralbank ersetzen.
Erfolgreiche Lobbyarbeit leisteten offenbar die Geschäftsbanken.
Spekulative und automatisierte Transaktionen riesiger Summen, die durch die
Besteuerung eigentlich eingedämmt werden sollten, werden kaum betroffen, da
die Steuer mit 6.000 Forint (20 Euro) pro Transaktion gedeckelt ist.
Einem Vorstoß mehrerer EU-Regierungen, darunter die deutsche, die
französische und die österreichische, auf EU-Niveau eine
Finanztransaktionssteuer einzuführen, will sich Ungarn aber nicht
anschließen. Das bestätigte vor Kurzem Gergely Pröhle, Vizestaatssekretär
im Außenministerium, in Wien.
„Die Regierung sagt, sie betreibe unorthodoxe Wirtschaftspolitik“, sagt
Professor Inotai, „nur versteht sie keiner“. Am 17. Juli wird eine
Delegation des Internationalen Währungsfonds in Budapest erwartet. Sieben
Monate lang wurde um die Bedingungen für einen neuen Kredit gerungen. „Ich
würde mich nicht wundern, wenn der IWF nicht kommt“, sagt Inotai: „Außer,
das Gesetz wird vorher zurückgenommen“.
13 Jul 2012
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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