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# taz.de -- Ressourcen in Finnland: Uranindustrie statt unberührter Natur?
> Gestiegene Preise machen Lappland für internationale Grubenkonzerne
> interessant. Die Folge: Badeverbote und kontaminierte Seen. Der
> Widerstand wächst.
Bild: Umweltminister Ville Niinistö wurde von einer konservativ-liberalen Koal…
STOCKHOLM taz | „Man hat die Menschen in Kainuu zu Versuchskaninchen
gemacht“, beklagte sich Finnlands Umweltminister Ville Niinistö kürzlich in
einem Fernsehinterview. Der Adressat seiner Kritik: die Grubenindustrie,
deren Einfluss auf Mensch und Natur im Allgemeinen und die Auswirkungen der
Talvivaara-Mine im Besonderen.
Dieser größte Nickeltagebau Europas liegt in Kainuu, einer Region im Osten
Finnlands. Obwohl er erst seit vier Jahren in Betrieb ist, hat er
zwischenzeitlich Gewässer in einem Radius von bis zu 110 Kilometer
verunreinigt. An den am stärksten kontaminierten Seen herrscht mittlerweile
Badeverbot, und der Fischbestand ist bedroht.
Dabei hatten die Betreiber bei Eröffnung der Grube mit einem besonders
„umweltfreundlichen“ Betrieb geworben. Die Realität: Die genehmigten
Emissionsgrenzwerte wurden teilweise massiv überschritten, wiederholt
traten Chemikalien aus. Doch obwohl sich der Grubenbetrieb schon jetzt zum
reinsten Albtraum für die Gegend um Sotkama und Vuokatti entwickelt hat,
die im Winter vom Skitourismus und im Sommer von Wanderern und
Hobbyfischern lebt, dürfte das erst der Anfang sein: Am 1. März erteilte
die Regierung in Helsinki Talvivaara die Genehmigung zum Abbau und der
Verarbeitung von Uran.
Umweltminister Niinistö und seine Grünen wurden dabei ebenso wie die linken
Kabinettsmitglieder von einer konservativ-liberalen Koalitionsmehrheit
überstimmt. Die Euratom hat grünes Licht gegeben, doch Umweltschützer
versuchen, das Uranprojekt noch gerichtlich und mithilfe von Petitionen zu
stoppen.
## 350 bis 500 Tonnen
Mit einer geschätzten Produktion von jährlich 350 bis 500 Tonnen Uran würde
Talvivaara nämlich zur größten europäischen Urangrube werden. Und das, ohne
dass in Finnland jemals grundsätzlich diskutiert worden wäre, ob das Land
überhaupt ein Uranproduzent werden soll.
Die Atom- und Uranlobby hat die Hintertür genommen. Ganz „überraschend“
habe sich herausgestellt, dass das in Talvivaara geförderte Nickelerz einen
so hohen Anteil an Uran enthalte, dass sich die Gewinnung lohne, teilte die
Betreibergesellschaft 2010 mit.
Überraschend kann das aber weder für die Grubenbetreiber noch für die
staatlichen Genehmigungsbehörden gewesen sein: Schon in den 1970er Jahren
waren die dortigen Uranvorkommen von Geologen kartiert worden und tauchten
ab 1981 in Statistiken der internationalen Atomenergieagentur und der OECD
auf. Mit der kanadischen Cameco steht mittlerweile auch schon ein Anbieter
bereit, der das Uran vor Ort in Rohstoff zur Verwendung in Kernbrennstäben
verarbeiten will.
Und Talvivaara könnte in Nordfinnland bald überall sein. Uraanivoima, eine
NGO der Gegner der Uranwirtschaft, hat kürzlich einen Überblick über
geplante oder schon genehmigte Mineralschürfrechte veröffentlicht, bei
denen mit abbauwürdigen Uranmengen zu rechnen ist. Ein regelrechter
Flickenteppich breitet sich da über Finnisch-Lappland aus.
## Gefahr verharmlost
Statt unberührter Natur und dem Ziel von jährlich Zehntausenden
erholungsuchenden TouristInnen dort also bald ein Zentrum der
Uranindustrie?
Beim Thema Uran habe man die Bevölkerung an der Nase herumgeführt, sagt
Mika Flöjt, Forscher für Umwelt- und Energiepolitik an der
Lappland-Universität Rovaniemi: Man enthalte Einwohnern und
Kommunalpolitikern wichtige Informationen vor, verharmlose die Gefahren der
Urangewinnung und unterschlage, dass bei der Förderung radioaktive Nuklide
zwangsläufig in Luft und Wasser freigesetzt würden und sich in der
Nahrungskette anreicherten. „Die Wirtschaft in Lappland kann nicht davon
leben, dass wir nur die Natur schützen“, sagt Timo Rautajoki, Direktor der
Handelskammer von Finnisch-Lappland.
Doch UmweltschützerInnen erhalten Unterstützung aus der Tourismusbranche.
„Der Tourismus war hier vor den Gruben“, sagt Pertti Yliniemi, Direktor der
Hotelkette Lapland Hotels.
Mittlerweile reagiert auch Brüssel. Vergangenen Freitag wurde bekannt, dass
die EU-Kommission aufgrund eines Vorstoßes der grünen
Europaparlamentarierin Satu Hassi ein Verfahren gegen Talvivaara wegen
möglicher Verstöße gegen EU-Umweltbestimmungen eingeleitet hat.
17 Jul 2012
## AUTOREN
Reinhard Wolff
## TAGS
Finnland
Umweltkatastrophe
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