# taz.de -- Schleck bei der Tour positiv getestet: Mit Bluthochdruck Radfahren | |
> Mit dem Spitzenfahrer Fränk Schleck hat die Tour de France 2012 ihren | |
> ersten prominenten Dopingfall. Der Luxemburger wurde positiv auf ein | |
> Diuretikum getestet. | |
Bild: Für Fränk Schleck ist die Tour vorbei. Er gab nach dem positiven Doping… | |
Fränk Schleck hat offenbar verstanden. An dem gleichen Abend, an dem die | |
Kunde von der exzellenten Fernsehdokumentation „Higher, Faster, Stronger“ | |
des irischen Journalisten Ian O’Riordan über Wissenschaft und | |
Leistungssport, in dem WADA-Generaldirektor David Howman über | |
Gefängnisstrafen für Doper als ultimatives Abschreckungssignal räsonniert, | |
um die Welt ging, begibt sich der mit einer positiven A-Probe bei der Tour | |
de France aufgefallene Luxemburger Radprofi ganz von allein zur | |
französischen Polizei, um dort eine Aussage zu tätigen. | |
Das ist doch ein erster Schritt. Besser wäre es freilich gewesen, Schleck | |
hätte von Beginn an auf die Einnahme des Entwässerungsmittels Xipamid | |
verzichtet. Das Mittel, meist in Tablettenform unter dem Namen Diurexan | |
vertrieben, wird gewöhnlich bei Bluthochdruck, der durch hohe | |
Salzkonzentration ausgelöst ist, verschrieben. Die Salze sollen aus dem | |
Körper gespült werden. Offenbar war dies bei Schleck nicht der Fall. | |
Sonst hätte er eine sogenannte therapeutische Ausnahmegenehmigung | |
präsentiert; das anomale Testergebnis vom 14. Juli wäre niemals bekannt | |
gegeben worden. Dopende Spitzensportler greifen zu Mitteln wie diesen, um | |
die Einnahme von leistungssteigwernden Präparaten zu verschleiern. | |
„Mit einem Diurethikum erhöht man die Menge des Urins. Diese | |
Volumenvergrößerung führt zu einer Verringerung der Konzentration aller im | |
Urin befindlichen Substanzen und damit auch aller bei Urinproben gemessenen | |
Dopingsubstanzen“, erklärt der Biochemiker und Antidoping-Experte Fritz | |
Sörgel auf Nachfrage dieser Zeitung den Hintergrund. | |
## „Ich bin sicher, dass er nichts genommen hat“ | |
Man darf annehmen, dass dies bei dem älteren der beiden Schleck-Brüder auch | |
der Fall war. Zwar stellte sich der jüngere der beiden Brüder, der derzeit | |
an einer Sturzverletzung laborierende Andy, auf Nachfrage der französischen | |
Zeitung Le Parisien schützend vor seinen Bruder: „Bei meinem Leben und | |
meiner Familie: Ich bin sicher, dass er nichts genommen hat“. Das | |
Testresultat konnte der nachträgliche Tourgewinner 2010 (nach | |
Dopingdisqualifikation von Alberto Contador) damit aber nicht erklären. | |
Das Team Radioshack Nissan nahm seinen nominellen Kapitän noch am Abend von | |
der Nachricht des positiven Tests aus dem Rennen. Vor dem von Journalisten | |
belagerten und von der Polizei blockierten Teamhotel in Pau erklärte | |
Teamsprecher Philippe Maertens: „Wir sind alle geschockt. Aber wir können | |
nichts tun außer die Fakten zu respektieren. Es liegt an Fränk, eine | |
Erklärung zu geben.“ | |
Das Team, das derzeit wegen der Dopingermittlung der USADA gegen den | |
Rennstallmanager Johan Bruyneel und den Co-Eigner Lance Armstrong bereits | |
in erheblichen Schwierigkeiten steckt, ging weiter auf Distanz zu Schleck. | |
„Das gefundene Medikament ist nicht Bestandteil des Arzneiprogramms des | |
Teams“, hieß es in einem Statement. Der Profi hat nach Bekanntgabe der | |
positiven A-Probe vier Tage Zeit, die Öffnung der B-Probe zu beantragen. | |
Dem Antidopingregelwerk nach ist bei Nachweis eines Entwässerungsmittels | |
eine sofortige Suspendierung nicht zwingend notwendig. | |
## Druck hinter den Kulissen | |
Wie beim Fall des Russen Alexander Kolobnew, der bei der Tour 2011 mit | |
einem ähnlichen Mittel erwischt wurde und von Team Katusha aus dem Rennen | |
genommen wurde, schien auch hier der Druck hinter den Kulissen so groß, | |
dass der Rennstall den Fahrer zurückzog. Das immerhin ist ein gutes | |
Zeichen. | |
Generell bestätigt der Fall aber nur das durch immer wieder neue Hinweise | |
gestützte Vorurteil vom Profiradsport als Dopingdisziplin. Seinen | |
Berufskollegen tat der aktuelle Tourzwölfte (neun Minuten und 45 Sekunden | |
Rückstand auf Bradley Wiggins) damit keinen Gefallen. Typisch ist, dass | |
Fahrer vom Niveau Schlecks häufig nur mit sogenannten Bagatellsubstanzen | |
erwischt werden. | |
Das legt den Verdacht nahe, sie hätten das eigentliche, direkt die Leistung | |
beeinflussende Doping so weit im Griff, dass sie dabei außerhalb der | |
Nachweisfenster bleiben. Von den bei der Tour de France für Radioshack | |
startenden deutschen Teamkollegen von Schleck, Jens Voigt und Andreas | |
Klöden, war bislang keine Auskunft zu erhalten. | |
## Zweiter Doping-Fall bei der Tour 2012 | |
Nach der Festnahme des französischen Radprofis Remy di Gregorio am ersten | |
Ruhetag wegen des Verdachts auf Doping und Dopinghandel ist dies nun schon | |
der zweite Fall. Schleck selbst gerät zum zweiten mal in seiner Karriere in | |
Dopingverdacht. Im Zuge des Fuentes-Skandals waren Zahlungen von ihm an den | |
spanischen Dopingarzt bekannt geworden. | |
Dies hatte jedoch keine sportrechtlichen Konsequenzen. Dieses Mal liegt die | |
Beweislast bei ihm. Schleck muss belegen, dass die Substanz entweder ohne | |
sein Wissen in den Körper gelangte oder Bestandteil einer | |
Krankheitsbehandlung war. Gelingt ihm dies, kann er mit einer reduzierten | |
Strafe – sie reicht von einer Rüge bis zu einer einjährigen Sperre – | |
davonkommen. | |
18 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustorph | |
## TAGS | |
Radsport | |
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