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# taz.de -- Fehde zwischen Muslim und „Propheten“: Hass auf den Islam
> Ein selbst ernannter Prophet warnt in seinem Buch vor den „Verbrechen von
> Mohammed“. Ein Muslim bekämpft das Werk erbittert. Nun fürchten beide um
> ihr Leben.
Bild: „Ich bin nicht wütend, ich bin ein Prophe“, sagt Buchautor und Immob…
Zahid Khan sitzt unruhig in einem Café am Frankfurter Hauptbahnhof. Eine
angespannte Wachsamkeit liegt in seinem Gesicht. Er schaut ständig nervös
nach links und rechts, im Internet gibt es Todesdrohungen gegen ihn. Der
Islam ist eine Wurzel von Terrorismus und Extremismus, findet der kleine
kompakte Mann mit Glatze, der aussieht wie ein braver Angestellter. „Durch
mich als Propheten erhielt der Prophet Mohammed die Möglichkeit, zu
beichten, was im Islam und in seinem eigenen Leben falsch gelaufen ist“,
sagt der 55-Jährige, und: „Im Islam manifestiert sich der Höhepunkt des
Schaffens Satans.“
Das ist das Thema, das den Pakistaner umtreibt. Der Islam im Allgemeinen
und Mohammed im Speziellen beschäftigen ihn, der eine Mission hat – nämlich
Deutschland und die ganze Welt vor Allah zu schützen. Gott persönlich habe
ihn im Traum darum gebeten. „Es ist eine meiner Hauptaufgaben, den Islam zu
reformieren“, sagt er. Deswegen hat er 2009 ein Buch im Eigenverlag
herausgebracht. Titel: „Die Verbrechen des Propheten Mohammed“.
Der Islam wolle alles und jeden unterjochen, das ist Khans Botschaft.
Der Muslim Stefan Sali Nagi sagt, er sei dem Propheten Mohammed im Traum
begegnet. Für ihn kommt Khan aus dem Herzen der Finsternis. Er sei ein
Feind, den es zu bekämpfen gilt. Deswegen organisiert Nagi Demonstrationen,
verbrennt und bespuckt Khans Buch. Diese Szenen finden sich auf YouTube. Er
zog vor Gericht – wollte das „Teufelsbuch“ verbieten. „Wirre und irre“
nennt Nagi die Thesen von Khan und fordert: „Islamhasser sollen ins
Gefängnis.“
Kritiker wollen den Islam unterjochen, das ist die Botschaft von Nagi.
Zahid Khan redet ungeordnet, mischt Deutsch mit Englisch, antwortet auf
Fragen nur knapp, um rasch wieder auf seine Mission gegen Allah zu kommen.
Dann zieht er seine Augenbrauen und Schultern hoch, sein kurzer Hals ist
kaum zu sehen. Er wiederholt seine Sätze immer wieder, Mohammed sei ein
Diktator, der Islam eine Wurzel von Terrorismus.
Aufgewachsen ist er im pakistanischen Lahore, seine Familie waren Sufis.
Sufis gelten als die Mystiker im Islam, die wegen ihrer erklärten
Friedensliebe und religiösen Toleranz von Islamisten als Gefahr gesehen
werden. Sie sind eine verfolgte Minderheit in Pakistan, die bis heute unter
Repressionen leidet. Weil seine Familie kein Geld mehr hatte, habe Khan die
Schule schon nach der 5. Klasse verlassen müssen, dies sei auch die Zeit
seiner ersten nächtlichen Begegnungen mit Engeln gewesen, die „mich ins
Licht mitgenommen“ haben, wie er sagt.
## Religionsloser Prophet mit Mission
Ob das nicht ein einfacher Traum gewesen sei, der immer wiederkehrte?
„Träume erlebt man im Schlaf“, antwortet er. „Ich war aber immer bei vol…
Bewusstsein.“ Als 16-Jähriger sei ihm dann Gott begegnet. Seit diesem Tag
sei er kein Muslim mehr, sagt er. Sondern ein religionsloser Prophet, der
gegen den Islam missioniert. Über Umwege sei er 1974 in Deutschland
angekommen. 1986 kehrte er zurück nach Lahore, für einen
Universitätsvortrag, in dem er den Koran kritisierte. Deswegen wurde er
dort für einige Tage inhaftiert und gefoltert, erzählt er. Mittlerweile
lebt er als Immobilienhändler in der hessischen Provinz, ist verheiratet
und Vater von sechs Kindern.
Als niemand sein erstes Buch veröffentlichen wollte, brachte er es 2000 im
Eigenverlag heraus. Seitdem verlegt er seine eigenen Werke, mit Titeln wie
„Prophet Mohammeds Botschaft an islamische Extremisten“ und „Wahre Momente
mit Gott“. Wie viel er damit verdient, wie hoch die Auflagen sind, das will
er nicht sagen. Vor drei Jahren dann die Veröffentlichung von „Die
Verbrechen des Propheten Mohammed“. Es sind 373 Seiten voll mit Aussagen
wie der, dass Jesus ihn gebeten habe, über Barack Obama zu schreiben. Khan
kompiliert, fabuliert, schreibt seltsames Zeug. Ob er nachvollziehen könne,
dass man ihn für verrückt halten könnte? „Ja, aber ich weiß, dass ich Gott
getroffen habe“, sagt er. Es ist das einzige Mal, dass er lächelt.
Woher kommt der Hass auf den Glauben, Herr Khan? „Ich hasse niemanden“,
antwortet er. „Ich bin nicht wütend, ich bin ein Prophet.“
Sein Widersacher Nagi wurde als Sohn einer Deutschen und eines Pakistaners
in Frankfurt geboren. Zwar sei er muslimisch erzogen worden, aber erst
während seines Medizinstudiums habe er angefangen, strikt nach islamischen
Regeln zu leben. „Ich habe nach einem Inhalt für mich gesucht und bin beim
Islam hängen geblieben“, sagt er, der sich zu den Sunniten zählt. Die
sunnitische Theologie hält am nicht hinterfragbaren Vorbild Mohammeds und
des Korans fest.
## Deutschland geht schlecht mit seinen Muslimen um
Der unscheinbare, schmale 39-Jährige braucht viele Worte für drei
Botschaften. Erstens: Es gebe nur eine wahre Religion. Zweitens: „Ich will,
dass alle Bücher mit diesem schlechten Inhalt und Beleidigungen gegen
unseren Propheten verboten werden.“ Drittens: Deutschland geht schlecht mit
seinen Muslimen um – und das müsse er ändern.
Seit seine Frau vor einem Jahr starb, hat er die Verteidigung seines
Glaubens noch weiter verstärkt. Er schrieb viele Briefe und Mails in den
vergangenen Monaten. Er will den Boykott deutscher Waren im Ausland
erwirken. Er hätte gern mehr Muslime bei seinen Demos gegen Khan
dabeigehabt. Doch es kamen immer nur einige Dutzend. So bleiben ihm nur das
Internet und die Justiz. In seinen Videos trägt er oft weiße, gebügelte
Hemden, seine Haare sind sorgfältig nach hinten gekämmt, meist sind die
weißen Rollläden hinter ihm runtergezogen. Er wirkt sehr bieder, wie er
sich so aufregt.
Woher diese Wut auf Glaubenskritiker, Herr Nagi? „Khan stellt den Islam in
eine kriminelle Ecke und beleidigt vielfach unseren Propheten“, antwortet
er. Aber muss man das ernst nehmen? „Khan sagt, der Koran und der Islam
seien nicht heilig. Diese schändlichen Behauptungen kann kein Muslim
hinnehmen.“
Diese beiden Gedankensysteme von Kahn und Nagi, sie klingen nicht logisch.
Nicht rational. Zu sagen, die beiden Kontrahenten seien seltsam, wäre eine
kolossale Untertreibung. Ihre Ausführungen sind bizarr. Sagen aber auch
etwas aus über das Phänomen der Religionskritiker und -eiferer. Die jedes
Maß an Diplomatie und in diesem Fall auch ihren Realitätssinn verlieren. Es
gibt keine Zweifel, nur die eigenen Wahrheiten und fanatisches Gebell. Sie
hantieren mit Verweisen auf Hitler und Osama bin Laden und reimen sich
Untergangsszenarien zurecht: Die Regierung schaue weg. Die Behörden würden
schlafen. Die Gesellschaft werde unterwandert.
Am 26. Juni trafen sich Khan und Nagi vor Gericht. Der selbsternannte
Schützer des Propheten hatte den selbsternannten Propheten verklagt. Die
Richter des Landgerichts Darmstadt lehnten ein Verbot von Khans Buch ab.
Der Kläger sei nicht unmittelbar in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt,
so die Urteilsbegründung. Es war die zweite Niederlage für Nagi an diesem
Tag.
## Morddrohung gegen Khan
Denn vor dem Gerichtsgebäude standen nur etwa zwanzig Demonstranten, die
Plakate hochhielten mit Sätzen wie „Herr Khan ist inspiriert vom Teufel“.
Dabei, sagt Nagi, habe er kurz zuvor den ultrakonservativen Salafisten
Pierre Vogel kontaktiert, dessen Koran-Verteilungsaktion unterstützt und um
Beistand gebeten. Ein Gehilfe von Vogel habe für das Erscheinen des
islamistischen Predigers Vogel 30.000 Euro verlangt. Später habe Vogel Nagi
gegenüber eine Morddrohung gegen Khan ausgesprochen. Überprüfen lassen sich
diese Vorwürfe nicht. Jedenfalls sagt Nagi, er habe nicht gezahlt. Warum er
jetzt erst von den angeblichen Morddrohungen erzähle? „Wenn etwas passiert,
dann mache ich mir selber Vorwürfe.“ Außerdem wolle er nicht, dass Khan
ermordet wird, sagt er. Denn: „Was passiert dann mit meiner Klage?“
Wahrscheinlich sind die beiden Männer sich längst ähnlicher, als sie
glauben. Sie sind ideologisch verblendet, sehen sich als Opfer und kämpfen
für ihre Version von Freiheit und Menschenrechten.
Khan fürchtet Muslime im Allgemeinen, Nagi seit seinen Aussagen über Vogel
die Salafisten im Speziellen. Beide bangen um ihr Leben, Khan steht unter
Polizeischutz, Nagi sagt, es könne sein, dass extremistische Salafisten ihn
umbringen.
Aber aufhören? Daran denkt keiner von ihnen. Zahid Khan will demnächst ein
neues Buch veröffentlichen. Titel: „Der Islam gehört nicht zu Deutschland�…
Stefan Salim Nagi möchte vor dem Oberlandesgericht Frankfurt klagen und in
arabischen Ländern vor dem Buch warnen. Und gegen Pierre Vogel hat die
Staatsanwaltschaft Darmstadt ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
24 Jul 2012
## AUTOREN
Cigdem Akyol
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
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