| # taz.de -- Flüchtling protestiert gegen Residenzpflicht: Herr Kalali fährt Z… | |
| > Der iranische Asylsuchende Mohammad Kalali reist mit der Bahn durchs | |
| > Land. Er verstößt gegen seine Residenzpflicht, um mehr Rechte für | |
| > Flüchtlinge zu fordern. | |
| Bild: Laut Gesetz durfte er nicht dabei sein: Kalali mit zugenähtem Mund in W�… | |
| BERLIN taz | Am Freitagnachmittag sitzt Mohammad Kalali in der Bahn nach | |
| Regensburg. Dort darf er hin. Es ist die letzte Fahrt seiner Reise, die am | |
| Dienstag begann und ihn nur auf unerlaubtes Gebiet führte: von Stadt zu | |
| Stadt durch Deutschland. Denn weder in Würzburg noch in Aub, Bamberg oder | |
| Düsseldorf, wo derzeit Flüchtlinge in den Innenstädten demonstrieren, darf | |
| sich Kalali aufhalten. | |
| Sein Bezirk heißt Oberpfalz, dort hat er als Asylbewerber Residenzpflicht. | |
| Verlässt er dieses Gebiet, muss er Strafe zahlen, bei Wiederholung droht | |
| ihm Haft. Kalali ist 34 Jahre alt und vor fünf Jahren aus dem Iran | |
| geflüchtet. Seit über einem Jahr lebt er in Deutschland, in der | |
| Flüchtlingsunterkunft Cham. Bis vor vier Monaten. Seither demonstriert er | |
| für mehr Rechte. | |
| Kalali war einer jener acht Asylbewerber, die im März in Würzburg Zelte | |
| aufschlugen und in den Hungerstreik traten. Sie reagierten damit auf den | |
| Tod eines Iraners, der sich am 29. Januar in einer Flüchtlingsunterkunft | |
| das Leben genommen hatte. Die Demonstranten forderten ihre Anerkennung als | |
| politische Flüchtlinge und eine bessere Situation „für alle Schutzsuchenden | |
| in Deutschland“. | |
| Zwei Monate später war Kalali auch einer der Ersten, die sich den Mund mit | |
| grünem OP-Faden zunähten: nach 80 Tagen Zeltprotest, Tag und Nacht vor dem | |
| Würzburger Rathaus. So hielten die sechs Männer einen Monat aus: Mit einem | |
| Strohhalm konnten sie trinken und vorsichtig sprechen. Pro Asyl kritisierte | |
| den drastischen Protest. | |
| Anfang Juli öffneten die Demonstranten die Fäden wieder: Vier von ihnen | |
| hatten die Nachricht erhalten, dass ihre Asylanträge bearbeitet werden. | |
| Auch Kalali erhielt Nachricht: Er habe Residenzpflicht in der Oberpfalz, | |
| nicht in Würzburg. | |
| ## „Geld stoppt keine Abschiebungen“ | |
| Er kehrte zurück nach Regensburg, wo nun seit drei Wochen auch ein | |
| Protestcamp steht – genauso wie in Bamberg, Düsseldorf und Aub. Bei den | |
| Würzburgern seien viele Anrufe von interessierten Asylbewerbern aus ganz | |
| Deutschland eingegangen, sagt eine Helferin. Die Flüchtlinge in Aub sind | |
| nun seit Mitte Juli im Hungerstreik. | |
| Für die Würzburger war das Urteil des Verfassungsgerichts, das vor zwei | |
| Wochen Asylbewerbern Anspruch auf mehr Geld beschied, ein gutes Signal. Für | |
| den Demonstranten Ashkan Khorasani aus Aub bedeutet es nicht viel: „Geld | |
| stoppt keine Abschiebungen“, sagt er, „und auch nicht die Isolation in den | |
| Unterkünften.“ | |
| Die Flüchtlinge, die seit Monaten auf die Straßen gehen – zuletzt am | |
| vergangenen Wochenende mit mehreren hundert Unterstützern in Bayern –, | |
| haben dennoch alle ähnliche Ziele. Sie fordern einen Abschiebestopp, eine | |
| bessere Wohnsituation als in den teils maroden Unterkünften und die | |
| Abschaffung der Residenzpflicht. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich | |
| (CSU) hält jedoch an den bisherigen Regelungen fest: Die Residenzpflicht | |
| sei „zur Wahrung der Funktionsfähigkeit des Asylverfahrens“ und „zur | |
| Erschwerung des Untertauchens weiterhin erforderlich“. Für | |
| Flüchtlingsunterbringung und Abschiebungen sei kein neues Bundesgesetz | |
| nötig. | |
| Mohammad Kalali will trotzdem weitermachen. „Niemand darf einem Menschen | |
| vorschreiben, wo er sich aufzuhalten hat“, sagt er. Eine Geldbuße habe er | |
| absichtlich nicht gezahlt, jetzt wurde eine Strafanzeige gegen ihn | |
| aufgenommen. Kalali ist das egal. Er will Asylbewerbern helfen, in weiteren | |
| deutschen Innenstädten ihre Zelte aufzuschlagen. | |
| 31 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Kristiana Ludwig | |
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