| # taz.de -- Bürgerkrieg in Syrien: Warnung vor neuem Halabdscha | |
| > Der türkische Außenminister will Massaker in Aleppo verhindern und | |
| > erinnert an den Giftgaseinsatz im Irak 1988. Die Truppen an der Grenze | |
| > werden weiterverstärkt. | |
| Bild: In Kilis flüchtet eine syrische Familie vor einem Tränengasangriff. | |
| ISTANBUL taz | „Wir werden kein Massaker an Zivilisten in Aleppo oder | |
| Flüchtlingen aus Aleppo dulden.“ Mit diesen Worten erklärte Außenminister | |
| Ahmet Davutoglu am Montagabend die Haltung der Türkei angesichts der | |
| heftigen Kämpfe im syrischen Aleppo. Während eines Empfangs zum | |
| Iftar-Essen, dem Fastenbrechen im Ramadan, erinnerte Davutoglu an das | |
| Massaker im irakischen Halabdscha 1988. Damals hatte das Regime von Saddam | |
| Hussein die kurdische Stadt mit Chemiewaffen angegriffen und 5.000 Menschen | |
| ermordet. | |
| „Ich war damals noch Akademiker“, sagte Davutoglu, „und ich habe immer | |
| gedacht, wir hätten das damals verhindern müssen. Die Türkei wird deshalb | |
| dieses Mal nicht zusehen, wenn der Zivilbevölkerung in Aleppo ein Massaker | |
| droht. Auch wenn Zehntausende aus Aleppo in Richtung Türkei fliehen und von | |
| der syrischen Armee beschossen werden, werden wir nicht zuschauen.“ | |
| Seit die Kämpfe in Syrien sich auf Aleppo und die Umgebung der | |
| Wirtschaftsmetropole im Norden des Landes konzentrieren, rückt auch die | |
| Türkei immer mehr in den Fokus des Krieges im Nachbarland. Die Rebellen | |
| haben nach eigenen Angaben mittlerweile die Verbindungsstraße von Aleppo | |
| Richtung türkischer Grenze unter ihre Kontrolle gebracht und nutzen diese | |
| Strecke nun, um einerseits Verwundete ins Nachbarland zu bringen und | |
| andererseits den Waffennachschub nach Aleppo zu verstärken. | |
| US-Medien berichteten erst vor wenigen Taten, dass in der südtürkischen | |
| Stadt Adana ein zentrales Waffenlager eingerichtet worden sei, das von | |
| Saudi-Arabien, Katar und den USA bestückt wird und aus dem nun der | |
| Nachschub für die Rebellen rollt. Tatsächlich stimmt sich die Türkei | |
| derzeit eng mit den USA über das weitere Vorgehen in Syrien ab. | |
| Ministerpräsident Tayyip Erdogan telefonierte am Montag mit US-Präsident | |
| Barack Obama, und der für Europa zuständige Chef des Außenministeriums, | |
| Philip Gordon, hält sich derzeit in Ankara auf. | |
| Gleichzeitig hat das türkische Militär seine Truppen in der Grenzregion zu | |
| Syrien massiv verstärkt. Das gilt zum einen für die Aleppo direkt | |
| gegenüberliegende Provinz Kilis, wo die türkische Armee täglich neue | |
| Flüchtlinge und Überläufer aus Syrien in Empfang nimmt, aber auch für die | |
| Grenze weiter im Osten, wo auf syrischer Seite die dort lebenden syrischen | |
| Kurden die Kontrolle über mehrere Orte übernommen haben. | |
| ## Hysterischer Aufschrei der Rechten | |
| In der rechten, konservativen türkischen Öffentlichkeit hat dies zu einem | |
| geradezu hysterischen Aufschrei geführt. Angeblich habe nun auf syrischer | |
| Seite der dortige Ableger der türkisch-kurdischen PKK die Macht übernommen. | |
| Erdogan beschuldigte Baschar al-Assad, die PKK gezielt zu benutzen. | |
| Richtig ist dagegen, dass die autonome kurdische Regierung im Nordirak vor | |
| zwei Wochen die verschiedenen kurdischen Gruppen Syriens zusammengeführt | |
| hat und ihnen nun Unterstützung bei der Errichtung einer eigenen autonomen | |
| Zone in Syrien zukommen lässt. Zu diesem Bündnis gehört auch der syrische | |
| PKK-Ableger, was zu schweren Vorwürfen gegen den kurdischen Regierungschef | |
| im Nordirak, Massud Barsani, geführt hat, mit dem die türkische Regierung | |
| ansonsten sehr gute Beziehungen unterhält. | |
| Die hysterische Stimmung anlässlich der kurdischen Präsenz auf syrischer | |
| Seite wird noch verstärkt durch eine Großoffensive, die die PKK gerade im | |
| südöstlichsten Zipfel im Länderdreieck Türkei, Iran, Irak durchführt. Im | |
| Schatten des syrischen Bürgerkriegs hat die PKK rund um die Stadt Semdinli | |
| mehrere Dörfer besetzt und am Montag zwei Soldaten getötet. Die kurdische | |
| Nachrichtenagentur Firat berichtet sogar von zehn getöteten Soldaten. Die | |
| Armee stockte ihre Truppen im Länderdreieck deshalb auf 10.000 Mann auf und | |
| setzt Hubschrauber und Kampfflugzeuge ein. | |
| 31 Jul 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Gottschlich | |
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