# taz.de -- Vorwürfe gegen Hamburgs Innenbehörde: "Weniger Abschiebungen als … | |
> Hamburgs Ausländerbehörde soll Mutter mit Wegnahme ihres Babys gedroht | |
> haben. SPD-Innensenator Neumann verspricht Aufklärung. | |
Bild: Will Vorwürfe aufklären: Innensenator Michael Neumann | |
taz: Herr Neumann, die Roma-Familie Aliji wurde am Freitagabend Opfer eines | |
Einsatzes der Ausländerbehörde, der einem Polizeistaat zur – zweifelhaften | |
– Ehre gereichen würde. Was ist da genau vorgefallen? | |
Michael Neumann: Der genaue Hergang ist noch offen. Das Dezernat Interne | |
Ermittlungen hat die Untersuchung des Vorfalls eingeleitet. Die erhobenen | |
Vorwürfe werden aufgeklärt. | |
Gehört es zur gängigen Praxis der Ausländerbehörde, Mütter durch | |
Beschlagnahme ihres Babys zu Auskünften zu nötigen? | |
Natürlich nicht. Deshalb kann ich mir auch nicht vorstellen, dass so etwas | |
vorgekommen sein soll. Wenn doch, wäre das in der Tat nicht akzeptabel. Für | |
Weiteres müssen wir aber die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten. | |
Gibt es in der Ausländerbehörde einen unseligen Corpsgeist, eine | |
Wagenburgmentalität? | |
Die Kolleginnen und Kollegen in der Ausländerbehörde erfüllen eine sehr | |
schwere und auch emotional belastende Aufgabe. Zudem stehen sie im Fokus | |
öffentlicher Beschuldigungen, mit denen ein Bild gezeichnet wird, das aus | |
meiner Sicht falsch ist. | |
Was passiert mit der Familie Aliji? | |
Darüber wird mit der Mutter gesprochen. Fakt ist: Es besteht eine | |
gesetzliche Ausreisepflicht. | |
SPD-Fraktionschef Andreas Dressel hat im taz-Interview angeregt, die Arbeit | |
der Härtefallkommission der Bürgerschaft transparenter zu machen. Was | |
halten Sie von dem Vorschlag? | |
Ich kann, will und darf als Senator dem Parlament nicht reinreden. In der | |
Öffentlichkeit wird aber häufig nur eine Version – die der Betroffenen – | |
dargestellt. Es wäre von Vorteil, wenn beide Seiten zu Wort kommen könnten. | |
Solche Vorgaben sind aber Aufgabe der Parlamente, es geht ja um gesetzliche | |
Vorschriften wie zum Beispiel den Datenschutz. | |
Wenn die SPD-Fraktion einen solchen Gesetzesvorschlag vorlegen würde, wären | |
Sie dann gesprächsbereit? | |
Sollte das Parlament die Meinung der Innenbehörde dazu hören wollen, machen | |
wir das. Ich hielte es für einen Vorteil, mehr Transparenz herzustellen. | |
Wir sind ja durch rechtliche Vorgaben gehindert, uns zu äußern. Dadurch | |
entsteht in der Öffentlichkeit schon mal eine argumentative Schieflage. | |
Dann könnten Sie Ihre Heimlichtuerei aber nicht mehr weiter betreiben. | |
Kämen Sie dann nicht in Rechtfertigungsnöte? | |
Es gibt keine Heimlichtuerei. Wir halten uns an Recht und Gesetz. | |
Der grüne Fraktionschef Jens Kerstan hat Ihnen am Freitag im taz-Interview | |
vorgeworfen, eine Ausländerpolitik wie einst der Rechtspopulist Ronald | |
Schill zu betreiben. | |
In meiner Amtszeit gibt es jedenfalls weniger Abschiebungen als unter dem | |
schwarz-grünen Vorgängersenat. Da war Herr Kerstan auch schon | |
Fraktionsvorsitzender und sollte es eigentlich besser wissen. | |
Herr Kerstan behauptet weiter, Sie würden als Senator keinen politischen | |
Einfluss auf die Ausländerbehörde nehmen. Haben Sie eine Beißhemmung? | |
Wir sind ein Rechtsstaat. Recht und Gesetz bestimmen das Vorgehen. | |
Eine politische Entscheidung wäre zum Beispiel ein Abschiebestopp für Roma | |
und Sinti im Winter gewesen. | |
Den gab es faktisch. Als Innensenator aber darf ich für Hamburg einen | |
solchen Abschiebestopp für höchstens sechs Monate erlassen. Danach wäre | |
eine einheitliche Regelung mit dem Bund und den anderen Bundesländern | |
erforderlich. Dafür gibt es leider auf Bundesebene und bei den | |
Länderkollegen null Bereitschaft. Ich habe dies mehrfach auf der | |
Innenministerkonferenz angesprochen. | |
Also bessert sich nichts? | |
Wir haben eine Initiative im Bundesrat gestartet mit dem Ziel, Kindern mit | |
Schulabschluss ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu geben, unabhängig von | |
möglichen früheren Verfehlungen ihrer Eltern. Dafür haben wir die | |
Unterstützung der anderen SPD- und Grün-regierten Bundesländer. Ich hoffe | |
stark, dass auch CDU und CSU über ihren Schatten springen können. Wenn | |
nicht, haben wir hoffentlich nach der Wahl in Niedersachsen im Januar und | |
nach der Bundestagswahl im September 2013 in beiden Häusern die Mehrheit, | |
um das Ausländerrecht endlich an die Lebensrealität anzupassen. So lange | |
Recht und Gesetz in Deutschland aber – ich betone ausdrücklich: leider – | |
anders aussehen, bin ich als Senator gehalten, das anzuwenden. | |
Werden die armenischen Mädchen Melania und Anna und ihre Mutter Armine | |
(siehe Kasten) dann noch in Hamburg sein? | |
Sie werden sofort einen abgesicherten Aufenthaltstitel erhalten, wenn sie | |
ihre Pässe vorlegen und ihre Identität nachweisen. Ich hoffe, dass das | |
schnell passiert. Dann werden sie in Hamburg bleiben. | |
31 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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