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# taz.de -- Mietabzocker vor Gericht: Vermieter melkt Hilfe-System
> Das Jobcenter will 670.000 Euro allein von Hausbesitzer Thorsten Kuhlmann
> zurück, weil er für Hartz-IV-Wohnungen viel Miete kassierte. Jetzt klagt
> die Staatsanwaltschaft wegen Betrugs.
Bild: Kann teuer werden - zumindest wenn der Staat bezahlt: Muster-Mietvertrag.
Hat die Stadt Hamburg rund eine Million Euro Mieten für Hilfeempfänger zu
viel gezahlt? So viel will zumindest das Jobcenter „team.arbeit.hamburg“
von Vermietern zurück, die Wohnungen an Hartz-IV-Empfänger vergeben haben.
Allen voran von Thorsten Kuhlmann, dessen Kuhlmann Grundstücks GmbH mit zu
hohen Quadratmeterangaben in Mietverträgen unrechtmäßig hohe Mieten
kassiert hat. Außerdem hat er Kellerräume vermietet, die als Wohnungen gar
nicht zugelassen sind.
670.000 Euro für 218 Fälle von zu viel gezahlter Miete will das Jobcenter
nun in 13 Verfahren vor Gericht erstreiten. Die ersten vier Verfahren sind
im Juli mit Güteverhandlungen gestartet – und gescheitert. Denn zwischen
den Anwälten der Parteien – Jobcenter-Anwalt Tobias Beckmann auf der einen,
Kuhlmann-Anwalt Thilo Menzel auf der anderen Seiten – herrscht Uneinigkeit
über die Berechnung der zurückzuzahlenden Beträge. „In einem ähnlichen
Verfahren hat das Landgericht Hamburg 2012 in der zweiten Instanz einen
Vermieter zur Rückzahlung überzahlter Mieten verurteilt“, sagt Beckmann.
Thorsten Kuhlmann selbst war in einem der Verfahren am Amtsgericht St.
Georg anwesend. Mit unbewegter Miene betrat er den Saal und folgte der
Verhandlung schweigend. Fragen von Journalisten beantworteten weder er noch
sein Anwalt. Seine Frau gab am Telefon gegenüber der Hamburger Morgenpost
den Grund an. „Zu diesem schwebenden Verfahren sagen wir nichts.“
Dabei dürfte klar sein, dass es in den Verhandlungen allenfalls darum gehen
könnte, dass die Summe von 670.000 Euro korrigiert wird – abhängig davon,
auf welche Berechnungsmethode man sich einigt. Dass Quadratmeterangaben
falsch waren und das Jobcenter Ansprüche auf Rückzahlungen hat, ist
unstrittig. Eine entsprechende Vereinbarung mit der Sozialbehörde hat
Kuhlmann im September 2010 unterzeichnet. Man einigte sich darauf,
Wohnungen gemeinsam zu vermessen, um festzustellen, wie groß die mehr als
300 Wohnungen, die Kuhlmann an Hartz-IV-Empfänger vermietete, wirklich
sind.
In den Mietverträgen stehen teils doppelt so viele Quadratmeter wie
tatsächlich vorhanden. Als Folge zahlte das Jobcenter zum Beispiel für ein
21 Quadratmeter kleines Appartement mehr als 20 Euro Warmmiete pro
Quadratmeter. Viele Kuhlmann-Wohnungen waren zudem in einem maroden
Zustand. Eine veraltete Ausstattung und Schimmel nahmen die Mieter aber oft
in Kauf, weil sie auf dem knappen Hamburger Wohnungsmarkt keine andere
Bleibe fanden. So ist vielleicht auch zu erklären, dass Kuhlmann mit seinem
System jahrelang durchkam.
Das Jobcenter fordert jetzt Mieten aus den Jahren seit 2005 zurück. Tätig
wurden Jobcenter und Stadt allerdings erst im Frühjahr 2010. Dabei hatten
schon im September 2009 das Straßenmagazin Hinz&Kunzt und andere Medien
über Kuhlmanns Vermietungspraxis berichtet. Vonseiten des Jobcenters hieß
es damals, man sei nicht zuständig.
„Normalerweise muss auch der geschädigte Mieter selber klagen“, sagt Nicole
Serocka von der Sozialbehörde. „Das war dann aber so massiv, da auch
umfangreiche Polizeiermittlungen notwendig waren, dass das in eine
Sammelklage zusammengefasst worden ist.“
Das Jobcenter streitet vor Gericht nicht nur mit Thorsten Kuhlmann, von dem
es außergerichtlich bereits 105.000 Euro Rückzahlung erhalten hat. Zwei
Vermieter wurden in ähnlichen Verfahren bereits zur Zahlung von 45.000 Euro
und 5.000 Euro verurteilt. Drei weitere Verfahren laufen, in einem geht es
um weitere 200.000 Euro. Hat das Jobcenter in allen Verfahren Erfolg,
könnte es gut eine Million Euro zu viel gezahlte Mieten zurück bekommen.
Dass Thorsten Kuhlmanns Vermietungspraxis kein Kavaliersdelikt ist, findet
auch die Hamburger Staatsanwaltschaft. Sie hat im Juli Anklage wegen
gewerbsmäßigen Betrugs in 223 Fällen erhoben. „Wir haben noch keinen
Eröffnungsbeschluss erhalten“, sagt Nana Frombach, Sprecherin der
Staatsanwaltschaft. „Bei dem Umfang des Verfahrens, wird das auch noch
einige Zeit dauern.“
Sollte das Verfahren eröffnet und Kuhlmann schuldig gesprochen werden,
erwartet ihn eine empfindliche Freiheitsstrafe: Auf gewerbsmäßigen Betrug
stehen pro Fall zwischen sechs Monate und zehn Jahre Gefängnis.
1 Aug 2012
## AUTOREN
Kai von Appen
Beatrice Blank
## TAGS
Hamburg
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