# taz.de -- Umweltzerstörung in Italien: Geld soll alle Wunden heilen | |
> Für 336 Millionen Euro will Italiens Regierung die Umwelt in Tarent | |
> sanieren, die durch Emissionen des Ilva-Stahlwerks belastet ist. Um einen | |
> Umbau der Produktion geht es nicht. | |
Bild: Umstrittene Dreckschleuder: Beschäftigte protestierten in Tarent gegen d… | |
ROM taz | Die Regierung in Rom will das von der Justiz beschlagnahmte | |
Stahlwerk im süditalienischen Tarent möglichst schnell wieder zum Laufen | |
bringen. Dafür zahlt sie auch gern: Am Freitag stellte sie 336 Millionen | |
Euro zur Verfügung, mit denen die Umwelt dort saniert werden soll. Im | |
Gegenzug, so die offen ausgesprochene Hoffnung, soll das Gericht das Werk | |
wieder freigeben. | |
Am gleichen Tag und am Samstag trat die Haftprüfungskammer zusammen, die | |
entscheiden muss, ob die acht Haftbefehle gegen den Ilva-Eigner Emilio | |
Riva, seinen Sohn und gegen sechs weitere Manager wegen „Umweltverseuchung“ | |
aufrechterhalten werden. Die Kammer ist auch das Gremium, das darüber | |
befindet, ob das Stahlwerk effektiv stillgelegt wird oder die Produktion | |
fortsetzen kann. Ein Ergebnis liegt noch nicht vor. | |
Ilva ist das größte Stahlwerk Italiens. 11.500 Menschen arbeiten direkt | |
dort, weitere 10.000 Arbeitsplätze hängen indirekt an dem Großbetrieb. Der | |
Konflikt brach am 26. Juli aus, als eine Untersuchungsrichterin den | |
spektakulären Beschluss fasste, die Hälfte der Anlagen stillzulegen. Der | |
Vorwurf: Ilva habe die Stadt jahrelang verseucht, indem sie gigantische | |
Mengen an Dioxinen, Feinstaub und Schwermetallen in die Luft blies. | |
Die jetzt von der Regierung bereitgestellten Millionen wirken angesichts | |
der Schäden an der Umwelt allerdings nur wie ein Tropfen auf den heißen | |
Stein. So ist im Umkreis von 20 Kilometern um das Werk die Schafhaltung | |
untersagt, weil die Böden zu stark mit Dioxin belastet sind. Jetzt sollen | |
erst mal die Schlämme im Meeresgrund vor Tarent gereinigt werden: Dort | |
hatten die Giftstoffe im Wasser die einst blühende Muschelzucht zum | |
Erliegen gebracht. | |
## Stahlmanager bestreiten Umweltzerstörung | |
Daran, dass das Werk die Gifte ausstößt, ändern diese Maßnahmen allerdings | |
nichts. Beim Prüftermin bestritten die Ilva-Vertreter denn auch rundheraus, | |
dass die Emissionen die Grenzwerte überschritten. Außerdem zweifelten sie | |
die von der Staatsanwaltschaft vorgelegten Gutachten an, dass die | |
Sterblichkeit durch Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Tarent weit | |
höher sei als im Rest des Landes. | |
Die Staatsanwaltschaft konterte mit der Feststellung, dass 80 Prozent des | |
Ausstoßes nicht „im regulären Betrieb“ stattfinde, sondern heimlich | |
abgewickelt werde. Zudem legten ihre Vertreter Abhörprotokolle vor, die | |
belegen sollen, dass Ilva-Manager versuchten, Gutachter der Umweltbehörden | |
und der Justiz zu beeinflussen – angeblich sollte ein für die | |
Staatsanwaltschaft tätiger Experte mit 10.000 Euro zu einer für Ilva | |
günstigen Expertise bewogen werden. Inzwischen ist deshalb ein zweites | |
Ermittlungsverfahren anhängig. | |
Tief gespalten präsentieren sich derweil Gewerkschaften und Stadt. Zu einer | |
gemeinsamen Kundgebung der drei großen Metallgewerkschaften FIM, FIOM und | |
UILM kamen zuletzt Tausende Teilnehmer, die forderten, das Werk zu | |
erhalten. | |
## Streit zwischen den Gewerkschaften | |
Wie das jedoch geschehen soll, spaltet auch die Verbände: Während sich FIM | |
und UILM weitgehend auf die Seite der Firmenleitung stellten, fordert die | |
linke FIOM ein radikales Umdenken: Die Verteidigung der Arbeitsplätze dürfe | |
nicht auf Kosten der Gesundheit von Bevölkerung und Beschäftigten erkauft | |
werden. | |
Auch diese Position reichte etwa 200 Demonstranten aus einem neu | |
gegründeten Komitee von Bürgern und Arbeitern nicht: Sie unterbrachen die | |
Kundgebung, schnitten FIOM-Chef Maurizio Landini das Mikrofonkabel durch | |
und proklamierten, die Gewerkschaften hätten mit ihrer verzichtlerischen | |
Position kein Recht, für die Arbeiter zu sprechen. | |
Es gibt aber auch ebenso radikal firmentreue Arbeiter. Diese wollten sich | |
während des Haftprüftermins zu einem Sit-in vor dem Gericht versammeln. | |
Doch die Ilva-Direktion brachte sie in letzter Minute davon ab. | |
Spätestens am Donnerstag wird das Gericht nun bekannt geben, ob die | |
Haftbefehle und die Stilllegung des Werks Bestand haben. | |
5 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
## TAGS | |
Italien | |
Stahlwerk | |
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