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# taz.de -- Amoklauf in Sikh-Tempel: Der frustrierte Neonazi
> Der örtliche Polizeichef findet, es habe keine Warnsignale für den
> Amoklauf von Wade Michael Page gegeben. Doch dieser war aktiver Neonazi
> und bekannte sich offen zu seinem Hass.
Bild: Schießt auf Sikhs: der ehemalige Soldat Wade Michael Page.
WASHINGTON taz | Es habe vorab keine Warnsignale gegeben, erklärt der Chef
der Polizei in Oak Creek, Wisconsin, am Montag. Zu dem Zeitpunkt, als
Polizeichef John Richards das sagt, laufen die Ermittlungen bereits wegen
„inländischem Terror“. 24 Stunden zuvor hat Wade Michael Page sechs
Menschen in dem Sikh-Tempel von Oak Creek erschossen und drei weitere
verletzt. Dann erschoss ihn ein Polizist.
Tatsächlich war Wade Michael Page ein Mann fast ohne Aktennotizen. Er war
der Polizei lediglich ein paar Mal durch Trunkenheit am Steuer aufgefallen.
Aus demselben Grund hatte ihn auch das US-Militär, bei dem er sechs Jahre
lang als „Experte für psychologische Operationen“ diente, erst degradiert.
Und letztlich heraus geschmissen. Ohne jede Möglichkeit einer neuerlichen
Rekrutierung. Wade Michael Page soll nie für das Militär im Ausland gewesen
sein. Seine letzte Station im Jahr 1998 war Fort Bragg in North Carolina.
Doch für die Beobachter der Neonazi-Szene war der zuletzt 40-jährige ein
alter Bekannter. Wade Michael Page benutzte das Pseudonym „Jack Boot“. Die
Anspielung auf die hohen Militärstiefel von Hitler war eine seiner
zahlreichen Hommagen an das NS-Regime. Er posierte für Fotos vor
Hakenkreuzen. Er hatte sich ein keltisches Kreuz und die Zahl „14“ auf die
Haut tätowieren. Bei den „White Supremacists“ (Anhänger einer „weißen
Vorherrschaft“) steht die Zahl für einen Satz in 14 Worten, der besagt:
„Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für weiße Kinder
sicherstellen“.
Er sang und spielte Gitarre in Skinhead-Bands, die das Morden – unter
anderem von Juden und von Schwarzen – preisen. Und er hatte auf eine in der
Neonazi-Szene übliche Art auf den 11. September 2001 reagiert: Er ließ sich
den „Respekt“ für die Opfer der Attentate auf einen Arm tätowieren. Diesen
„Respekt“ verstehen Insider als Hass auf Muslime.
Wade Michael Page war ein Star in der Neo-Nazi-Musikszene der USA. Er trat
bei „Hate-Fests“ auf, wie es sie im Sommer an allen möglichen Orten im Land
gibt. Die Bands, in denen er mitmachte, hatten Namen wie „Blue Eyed Devils“
und „Youngland“. Er sang Texte, in denen es darum ging, die „Fahne des
weißen Mannes“ zu hissen. Und im Jahr 2007 gründete er seine eigene Band
„End Apathy“. Die Namenswahl erklärte er in einem Interview so: „Die Leu…
reden viel, aber tun nichts. Ich will sie aus ihrer Apathie aufrütteln“.
## „Wir sind nicht alle so“
Sein Plattenverleger in Maryland ist der ebenfalls bekannte Skinhead Clemie
Richard Haught. Dessen Musik-Verlag „Label 56“ hat jede Menge – englisch-
und deutschsprachige – Skinhead-Gruppen auf seiner Webseite. Darunter
„White Kids gonna fight“ und „Out for Blood“.
Die Werbung für „End Apathy“ und jeden Hinweis auf deren Texte hat der
Musikverleger nach den Morden in Oak Creek von seiner Webseite genommen.
Stattdessen hat Haught geschrieben, „Label 56“ sei „sehr traurig, von der
Tragödie in Wisconsin“ zu hören. Als letzten Satz fügte er hinzu: „Bitte
wertet das, was Wade (angeblich) getan hat, nicht als ehrenhaft oder
respektabel. Und bitte denkt nicht, dass wir alle so sind.“
Das „Southern Poverty Law Center“ (SPLC) in Alabama, das seit Langem die
Szene der „White Supremacists“, Neo Nazis und andere Hass-Gruppen in den
USA beobachtet, führt Wade Michael Page seit zwölf Jahren in seinen Listen.
Es weiss auch, dass Wade Michael Page versucht hat, von der Nazi Gruppe
„National Alliance“ Propagandamaterial zu besorgen. „Er repräsentiert je…
demographische Gruppe, die die Diversität in den USA als Bedrohung
empfindet “, erklärt Heidi Beirich vom SPLC nach den Morden im Sikh-Tempel
gegenüber US-Journalisten: „Wir müssen sie sehr genau beobachten. Denn seit
2009 hat ihre Gewalt noch zugenommen.“
## Verbale Mordlust ist von der Verfassung gesichert
Illegal war nichts von dem, was Wade Michael Page vor den Morden vom
Sonntag getan hat. So lange Neonazis ihre Mordlust gegen Minderheiten nur
verbal erklären, schützt die Verfassung der USA ihre Meinungsfreiheit.
Vermutlich liegt es daran, dass Polizeichef John Richards keine Zeichen im
Vorleben von Wade Michael Page sieht, die „erkennen ließen, was er
vorhatte“.
Zu Wade Michael Pages legalen Utensilien gehört auch die Flagge der
„Confederates“ – der Südstaaten vor der Abschaffung der Sklaverei – di…
seinem zweiten Wohnsitz in North Carolina weht. Und seine Tatwaffe. Dank
eines neuen Gesetzes aus dem vergangenen Jahr, in dem der republikanische
Governeur von Wisconsin, Scott Walker, den Waffenkauf noch weiter
erleichtert hat, konnte Wade Michael Page seine 9 Millimeter Pistole am 28.
Juli kaufen und zwei Tage später abholen.
7 Aug 2012
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
Schießerei
USA
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