# taz.de -- Kommentar Amokschützen: Mörderische Routine | |
> Es scheint egal, wie viele Menschen in den USA noch von Amokschützen | |
> getötet werden. Die Spitzenpolitiker in Washington kuschen vor der | |
> mächtigen Rüstungslobby. | |
Der letzte Massenmord – in einem Kino in Aurora, Colorado – ist noch nicht | |
ganz aus den Schlagzeilen verschwunden, da folgt schon der nächste. Dieses | |
Mal hat ein weißer Rassist in einem Sikh-Tempel gewütet. Alle sechs | |
Menschen, die er ermordet hat, bevor er selber von einem Polizisten | |
erschossen wurde, waren Angehörige einer Minderheit. | |
Und schon wieder spult sich in den Medien und den politischen | |
Verlautbarungen in den USA dasselbe Ritual ab. Von dem Mitgefühl und | |
Huldigungen für die Opfer. Über die Feststellung, dies sei „nicht Amerika�… | |
Die Versicherung, alles zur Aufklärung nötige, werde geschehen. Bis hin zu | |
dem Casting von positiven HeldInnen. Von Menschen, die in dem Leid Größe | |
gezeigt haben, und dafür taugen, dem Geschehen ein Gesicht zu geben. Fürs | |
Fernsehen. | |
Es ist kein Zufall, dass Verbrechen, wie die von Aurora und Oak Creek in | |
den offiziellen Reaktionen heißen: „Tragödie“. Als handele es sich um | |
antikes Theater. Als wäre es schicksalhaft. Als könne das Land nichts gegen | |
die mörderische Routine in seinen Einkaufszentren, Universitäten, Kinos und | |
Tempeln unternehmen. | |
Natürlich ist jeder Verbrecher anders. Der Mörder im Sikh-Tempel war ein | |
notorischer Neonazi. Ein Star in der rassistischen Skinhead-Musikszene. Der | |
seinen Hass auf anders aussehende Menschen auf seinen Körper tätowiert und | |
in seine Lieder getextet hat. Und der bis vor wenigen Jahren als | |
„psychologischer Experte“ in der US-Armee dienen konnte. | |
## Schusswaffe leichter zu kaufen als ein Bier | |
Doch eines haben alle Mörder gemeinsam: den unerträglich einfachen Zugang | |
zu ihrem Mordggerät. Eine Schusswaffe ist in den USA leichter zu kaufen als | |
ein Bier (wofür ein Ausweis nötig ist, der das Mindestalter von 21 belegt) | |
oder ein Auto (wofür ein Führerschein nötig ist). Die Schusswaffendichte in | |
Privathänden ist nirgends in der Welt höher. Und in keinem anderen | |
Industrieland werden alljährlich mehr Menschen mit Schusswaffen ermordet. | |
Nach jedem neuen Massenmord schnellen die Schusswaffenverkäufe in die Höhe. | |
Und die Sprecher des mächtigen Verbandes der Schusswaffenfreunde (National | |
Rifle Association) sowie die ihnen gefügigen Politiker beider Parteien | |
verhöhnen die Opfer posthum. | |
Erstere tun es, in dem sie behaupten, die Opfer hätten überleben können, | |
wenn sie bewaffnet gewesen wären. Und letztere verweigern jede Diskussion | |
über die Frage, wieso ein Zivilist in den USA eine Schusswaffe braucht. Die | |
Spitzenpolitiker in Washington kuschen vor der Rüstungslobby. Weder der | |
demokratische Präsident noch sein republikanischer Herausforderer verlangt | |
eine radikale Kontrolle von Schusswaffen. | |
Schon gar nicht wagen sie es, das längst obsolet gewordene, 221 Jahre alte | |
Recht auf persönliche Bewaffung in Frage zu stellen, das aus einer Zeit | |
stammt, als Musketen nach jedem Schuss neu geladen werden mussten und als | |
die USA gerade unabhängig geworden waren. Diese politische Feigheit ist die | |
andere Facette der mörderischen Routine in den USA. | |
7 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Dorothea Hahn | |
## TAGS | |
USA | |
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