| # taz.de -- Überwachung in Hannover: Anti-Nazi-Kundgebung heimlich gefilmt | |
| > Die Polizei hat eine Demonstration mit Videokameras und Drohnen teils | |
| > verdeckt dokumentiert. Der AK Vorratsdatenspeicherung hält das für | |
| > rechtswidrig. | |
| Bild: Videokamera am Mann: Polizeikette bei der Anti-Neonazi-Kundgebung in Hann… | |
| HANNOVER taz | Massive und zum Teil heimliche Überwachung der | |
| Anti-Nazi-Proteste am Sonnabend in Hannover durch die Polizei prangert der | |
| Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) an. | |
| „Ohne triftigen Grund“ seien Gegendemonstrierende, die sich hinter | |
| Hannovers Hauptbahnhof wegen einer geplanten Neonazi-Kundgebung versammelt | |
| hatten, gefilmt und fotografiert worden, heißt es in einem offenen Brief | |
| des AK Vorrat an die Polizeidirektion. Mit einem 20-Fragen-Katalog, den sie | |
| am Dienstag in Hannover vorgelegt hat, fordert die Bürgerrechtsinitiative | |
| Aufklärung über den Einsatz. | |
| Einen „insgesamt ruhigen Verlauf“ attestierte selbst Hannovers | |
| Vize-Polizeipräsident und Einsatzleiter Thomas Rochell der Anti-Nazi-Demo. | |
| Mehrere hundert Demonstrierende waren am Samstagabend zum Zentralen | |
| Omnibusbahnhof gekommen, wo Neonazis ursprünglich im Anschluss an ihren | |
| Trauermarsch in Bad Nenndorf eine Kundgebung samt Fackelaufmarsch | |
| angekündigt hatten. Ihre Aktion in Hannover sagten die Rechten kurzfristig | |
| ab – weil die Gegenproteste in der 35 Kilometer entfernten Kurstadt ihren | |
| Zeitplan erfolgreich gesprengt hatten (taz berichtete). | |
| Die Demonstrierenden in Hannover behielt die Polizei dennoch fest im Blick: | |
| Mit mindestens drei fest installierten und vielen Handkameras, zum Teil mit | |
| Teleobjektiven, seien Protestierende wie Schaulustige durchgängig überwacht | |
| worden, führt der AK Vorrat an. Aus zivilen Fahrzeugen und von 90 Meter | |
| hohen Hochhäusern sei quasi verdeckt gefilmt und fotografiert worden. | |
| AK-Sprecher Michael Ebeling sieht darin einen „klaren Tabubruch“: Das | |
| heimliche Aufzeichnen oder Überwachen von Versammlungen sei rechtswidrig. | |
| „Wenn die Polizei filmt und fotografiert“, sagt er, „dann darf sie das nur | |
| in engen rechtlichen Grenzen und auch über die kann man streiten.“ | |
| ## „Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ | |
| Denn eben die Regelung der Videoüberwachung im niedersächsischen | |
| Versammlungsgesetz ist einer der zentralen Punkte einer Beschwerde vor dem | |
| Bundesverfassungsgericht, die ein Bündnis verschiedener | |
| Bürgerrechtsorganisationen bereits im Januar eingereicht hat. Sie halten | |
| das Demonstrationsrecht nach den jüngsten Änderungen durch die | |
| schwarz-gelbe Landesregierung vom Frühjahr 2011 für „bürokratisch und | |
| abschreckend“ – nicht zuletzt, weil Versammlungen seitdem zunehmend | |
| videoüberwacht würden. | |
| Die derzeitige Rechtslage nennt Anwalt Johannes Hentschel einen „wahren | |
| Gummiparagraphen“. Er vertritt das Bündnis bei seiner | |
| Verfassungsbeschwerde, zu dem neben dem AK Vorrat oder der Bürgerinitiative | |
| Lüchow-Dannenberg auch Gewerkschaftsvertreter zählen. | |
| Nicht nur bei „Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ darf | |
| die Polizei Versammlungen filmen. Laut Gesetz reicht es, wenn eine | |
| Versammlung aus ihrer Sicht unübersichtlich ist. Hentschel sieht darin ein | |
| „Instrument, bei dem zu schnell gesagt wird, wir zeichnen auf“. Ein | |
| „Mechanismus, wir schalten vorsorglich die Kameras an“, sei aber nicht | |
| vorgesehen. | |
| Hentschel teilt die Kritik des AK Vorrat an der Überwachung des | |
| Anti-Nazi-Protests am Samstagabend in Hannover. Besondere Bedenken hat er | |
| allerdings wegen des Einsatzes einer Polizeidrohne in Bad Nenndorf selbst: | |
| Der Einsatz eines sogenannten Dreiflüglers sei „in jedem Fall | |
| rechtswidrig“, sagt er. Für die Teilnehmer sei nicht mehr erkennbar, ob die | |
| Drohne Übersichtsbilder macht oder einzelne Personen zu identifizieren | |
| sind. Ähnlich sehen das die Landtagsgrünen, die bereits angekündigt haben, | |
| den Vorfall im Landtag zum Thema zu machen. | |
| Die für den Einsatz in Bad Nenndorf zuständige Polizeiinspektion | |
| Schaumburg/ Nienburg wiegelt hingegen ab: Zwar sei die Drohne vergangenen | |
| Samstag siebenmal in der Luft gewesen, erklärt ein Sprecher, allerdings nur | |
| zur „Dokumentation des Einsatzraums zur Auswertung der polizeilichen | |
| Maßnahmen“. Personen oder Autokennzeichen seien nicht zu erkennen, beteuert | |
| er. | |
| Für die Grünen-Innenpolitikerin Meta Janssen-Kucz sind derlei Zusagen | |
| lediglich „Beruhigungspillen“: Der Einsatz von Drohnen sei „wie ein | |
| Blankoscheck zur Ermittlung von persönlichen Daten von | |
| Kundgebungsteilnehmern“. | |
| Die Polizeidirektion Hannover bestätigte am Dienstag den Eingang des | |
| Offenen Briefs der Datenschützer vom AK Vorrat. Die eigenen | |
| Überwachungsmaßnahmen zu kommentieren, sah sie sich aber nicht in der Lage. | |
| 7 Aug 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Teresa Havlicek | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Überwachung | |
| Schwerpunkt Neonazis | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Neonazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf: Endstation Seitenstraße | |
| In Bad Nenndorf blockiert ein breites Bündnis den Zielort einer | |
| Neonazi-Demo. Die Räumung dauert so lange, dass die Rechtsextremen | |
| schließlich umkehren. | |
| Kameraeinsatz bei Anti-Nazi-Protesten: Empörung über Überwachung | |
| Die Überwachung von Demonstrierenden in Hannover und Bad Nenndorf steht | |
| parteiübergreifend in der Kritik. Die Grüne fordern eine Reform des | |
| Polizeigesetzes. | |
| Ausstellung „Rasterfahndung“: Durch die Maschen geschlüpft | |
| Was ist überhaupt ein Raster? Das Stuttgarter Kunstmuseum zeigt in in einer | |
| Ausstellung, wie Künstler Ordnungssysteme entwerfen und dekonstruieren. | |
| Kommentar Demo-Filmen: Gesetz der Abschreckung | |
| In Niedersachsen wird alles wird erfasst, was in den Polizistenhirnen dem | |
| linken Störer-Feindbild entspricht. Motto: „Legal, illegal, scheißegal.“. |