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# taz.de -- Luchterhand Verlag in Nazi-Zeit: Das braune Kapitel
> Der Luchterhand Verlag gehört zum Inventar der Bundesrepublik. Recherchen
> zeigen nun die Machenschaften des Verlegers Eduard Reifferscheid in der
> NS-Zeit.
Bild: Auch die „Blechtrommel“ von Günter Grass erschien im Luchterhand Ver…
Alexander Solschenizyn, Christa Wolf oder Jurek Becker – über Jahrzehnte
galt der Luchterhand Verlag im deutschen wie internationalen
Literaturbetrieb als eine erste Adresse der Starautoren, gebucht auf
Weltbestseller, etwa der „Blechtrommel“ von Günter Grass. Es war der
Verleger Eduard Reifferscheid (1899 - 1992), der wesentlich das Renommee
von Luchterhand begründete: mit der richtigen Nase für große Literatur und
große Talente wie Grass, den späteren Literatur-Nobelpreisträger. Doch wie
Grass hatte auch Reifferscheid eine dunkle Seite, die bisher unbekannt
blieb.
Wie eine Recherche der taz ergab, spielte Reifferscheid in der Nazizeit ein
böses Spiel mit dem Berliner Druckereibesitzer Otto Heinrich Scholz.
Zunächst ging Reifferscheid mit Unterstützung von Heinz Luchterhand eine
Kooperation mit Scholz ein – um den Unternehmer dann auszubooten, auch
unter Ausnutzung der Tatsache, dass seine Lebensgefährtin Meta Jüdin war.
Der wegen „Rassenschande“ von den Nazis verfolgte und drangsalierte Scholz
musste ins Ausland fliehen, weil er zu seiner späteren Frau Meta stand, die
die Nazis misshandelten.
Luchterhand und Reifferscheid aber profitierten von einem bis heute nicht
bekannten, üblen Trick, der den Aufstieg des Luchterhand Verlages nach dem
Krieg erst möglich machte. Wie aus im Berliner Landesarchiv lagernden Akten
hervorgeht, kaufte sich der Luchterhand Verlag 1939 zu einem äußerst
günstigen Preis in die Druckerei Otto Heinrich Scholz ein, der von den
Nationalsozialisten drangsaliert wurde.
Scholz wurde wegen seiner jüdischen Lebensgefährtin und späteren Frau von
der Gestapo verfolgt sowie im Naziblatt „Stürmer“ verhöhnt. Meta Scholz
misshandelten die Nationalsozialisten. Nachdem das Paar nach Großbritannien
ausgewandert war, leiteten die Nazis ein Ausbürgerungsverfahren ein.
Luchterhand-Verlagschef Eduard Reifferscheidt und Heinz Luchterhand klagten
gegen Scholz und drängte ihn so ganz aus seiner Druckerei heraus.
Das Ehepaar Scholz prozessierte nach 1945 von England aus um eine
Entschädigung oder eine Rückgabe der Druckmaschinen, die ihm Reifferscheid
und Luchterhand abgenommen hatten. Erst am 28. August 1961, zwei Jahrzehnte
nach Zerstörung von Scholz' Lebenswerk, kam es zu einem Vergleich. Scholz
nahm die Rückerstattungsansprüche zurück. Dafür zahlte Luchterhand an ihn
125.000 Mark.
Der Luchterhand Verlag hat dieses Kapitel nicht aufgearbeitet. Indes
stellte sich der langjährige Verlagsschef Reifferscheidt als Nazi-Gegner
dar. Er wurde von Autoren wie Günter Grass und Ernst Jandl sehr geschätzt.
1975 erhielt er das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, 1992 starb er.
Der Münchner Luchterhand Literaturverlag, der in der Nachfolge des
Luchterhand Verlages steht, erklärte in einer ersten Reaktion auf
taz-Nachfrage, man habe von den Ergebnissen dieser Recherche „heute zum
ersten Mal erfahren“. „Wir legen auf jeden Fall größten Wert auf die
lückenlose Erforschung und Aufarbeitung der Geschichte des Luchterhand
Verlags, dies gilt insbesondere und ausdrücklich auch für die Epoche der
NS-Zeit. Daher messen wir Ihren Recherchen große Bedeutung bei und sind an
deren genauen Ergebnissen und Quellen sehr interessiert.“
Den Weg des Nazi-Opfers Otto Heinrich Scholz und wie der Verlagsmanager
Reifferscheid seine Situation ausznutzte, wird in der „Ganzen Geschichte“
der aktuellen sonntaz geschildert. Die sonntaz ist am Kiosk, e-Kiosk oder
im Wochenend-Abo erhältlich.
11 Aug 2012
## AUTOREN
Philipp Gessler
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