# taz.de -- Quereinsteiger in sozialen Berufen: Erst Journalistin, dann Erziehe… | |
> In den sozialen Berufen fehlt der Nachwuchs, daher sind Quereinsteiger | |
> willkommen. Doch die Finanzierung des Umstiegs ist heikel, die Regelungen | |
> sind uneinheitlich. | |
Bild: Sind stressig, aber geben auch viel zurück: Kinder in Kitas. | |
BERLIN taz | Das Studium der Genderwissenschaften und Geschichte sei | |
spannend gewesen, erzählt Iris von Schewe. Doch danach kam die | |
Ernüchterung. Die Magisterabsolventin arbeitete im Minijob für den | |
Bundestag, schrieb als freie Journalistin Zeitungsartikel und bewarb sich | |
immer wieder in der überfüllten Kulturbranche. „Ich hatte das Gefühl, ich | |
werde überhaupt nicht gebraucht“, berichtet sie. Dieses Gefühl ist | |
verschwunden. | |
Seit August arbeitet von Schewe in einer Kindertagesstätte in | |
Berlin-Prenzlauer Berg, singt mit den Kleinen morgens das Begrüßungslied, | |
malt mit ihnen die Obstsorten auf, erklärt ihnen die Unterwasserwelt. „Man | |
kriegt so viel von den Kindern zurück“, sagt die heute 36-Jährige, die | |
selbst Mutter ist. „Ich bin endlich im richtigen Beruf gelandet.“ | |
In Berlin wie auch anderswo steigt die Zahl der QuereinsteigerInnen in die | |
sozialen Berufe. Der Bedarf ist da: Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen | |
im Erziehungsdienst hat sich in den letzten vier Jahren mehr als | |
verdoppelt. Zudem sollen als Quereinsteiger auch Männer gewonnen werden. | |
„Ich bekomme täglich Anfragen von Interessenten“, erzählt Kathrin Janert, | |
Vorstand im evangelischen Kitaverband Berlin Mitte-Nord, „darunter sind | |
Architekten, Verlagsredakteurinnen, aber auch Bodenverleger“. Janert ist | |
mitzuständig für die begehrten Ausbildungsplätze der UmsteigerInnen. In | |
Berlin arbeiten diese drei Jahre lang auf einer halben Stelle | |
sozialversicherungspflichtig angestellt bei einer Kita und drücken dann an | |
zwei halben Tagen in der Woche die Schulbank. | |
## Durchfallquoten von 70 Prozent und mehr | |
Die Kitas dürfen allerdings nur maximal 20 Prozent des Personals mit | |
QuereinsteigerInnen besetzen, daher sind die Stellen begrenzt. „Es ist | |
schwer für die Interessenten, einen solchen Platz zu bekommen“, berichtet | |
Arbeitsvermittlerin Peggy Grändorf von der Arbeitsagentur Nord in Berlin. | |
Neben dem beruflichen Umstieg über den Teilzeitjob gibt es in Berlin und | |
einigen anderen Bundesländern zwar auch noch den Weg, nach einem | |
einjährigen Kurs eine externe „Nichtschülerprüfung“ zu absolvieren. Doch | |
diese Schmalspurausbildung erzeugt in der staatlichen Prüfung hohe | |
Durchfallquoten von 70 Prozent und mehr. | |
Wer die staatliche Anerkennung zur Erzieherin habe, kriege heute „fünf | |
Jobangebote aus dem ganzen Bundesgebiet“, berichtet Birgit Hoppe, Leiterin | |
der Fachschulen der Stiftung SPI in Berlin. Mit dem Kita-Halbtagsjob | |
bekommt man allerdings nur etwas mehr als 600 Euro netto während der | |
Ausbildung. Manche der UmsteigerInnen erhalten daher eine Aufstockung vom | |
Jobcenter, berichtet Olaf Möller, Sprecher der Arbeitsagenturen in Berlin | |
und Brandenburg. | |
## Unbezahltes, einjähriges Praktikum | |
Nur fünf Bundesländer bieten den Quereinstieg über einen Teilzeitjob an. In | |
anderen Bundesländern finanzieren die Arbeitsagenturen unter Umständen | |
Umschulungen, so etwa in Baden-Württemberg. Dort kann man eine zweijährige | |
Umschulung mit einem anschließenden bezahlten Anerkennungsjahr absolvieren. | |
Die Crux: Vor dem Bildungsgang muss ein unbezahltes einjähriges | |
Vorpraktikum geleistet werden. In Baden-Württemberg gebe es nur wenige | |
Quereinsteiger, berichtet Doris Reif-Woelki, Sprecherin der Arbeitsagentur | |
Stuttgart. Das Land will das ändern: In einigen Pilotbezirken wird der | |
Erzieherberuf jetzt als „duale Ausbildung“ mit einer Vergütung angeboten. | |
Doch was ist mit der schlechten Bezahlung später, dem Stress in den Kitas? | |
In der Fachschulklasse von Iris von Schewe sitzen neben einem Cellisten, | |
der als Clown gearbeitet hat, und einer Modedesignerin auch eine | |
Theaterwissenschaftlerin – alle mit bewegter Vorgeschichte. Als ErzieherIn | |
bekommen sie später in den ersten Jahren nur 2.300 Euro brutto. Von Schewe: | |
„In meinen prekären Jobs früher hatte ich weniger Geld und mehr nervliche | |
Belastung.“ | |
12 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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