Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Athen will 40.000 Staatsbedienstete feuern: „Sozialer Genozid“ …
> Die Wortwahl in Athen wird unschön: Die Opposition spricht von „sozialem
> Genozid“. Ministerien werden aufgefordert, Listen mit „überflüssigen“
> Beamten zu erstellen.
Bild: Sonnenbebrillter Regierungschef: Antonis Samaras.
ATHEN taz | In Resteuropa ist der Rauswurf aus der Eurozone für Politiker
allerlei Coleur fast schon eine Platitüde geworden, aber auch ganz konkret
drängen in Athen die Finanzprobleme. Wenn die griechische Regierung Anfang
kommender Woche kurzfristige Staatsanleihen in Höhe von 3,125 Milliarden
Euro ausgibt, geht es ums Ganze.
Ohne das Geld könnten Rentner, Krankenschwestern oder Staatsbedienste ohne
Lohn dastehen. Das Land steuert nämlich auf die Pleite zu. Damit das nicht
passiert, wird nun eine alte Idee wiederbelebt: 40.000 staatliche
Bedienstete sollen entlassen werden.
Im Herbst vergangenen Jahres ist ein ähnlicher Plan des damaligen
sozialistische Regierungschef Giorgos Papandreou schon mal schief gegangen.
Damals sollten gut 20.000 Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst
mittels der sogenannten „Personalreserve“ entlassen werden.
Soll heißen: „überflüssige“ Staatsdiener sollten ein Jahr Kurzarbeit
leisten und dafür 60 Prozent ihres Lohnes erhalten, anschließend den Posten
verlassen und dennoch ihre volle Rente in Anspruch nehmen. Davon betroffen
sein sollten vor allem Bedienstete von Staatsbetrieben, etwa die personell
überbesetzte Nachrichtenagentur oder die überschuldeten Eisenbahnen des
Landes.
## Personalmangel statt überflüssiger Mitarbeiter
Damit die Sparmaßnahmen möglichst schnell greifen, wurden Abteilungsleiter
in Ministerien und Vorstände staatlicher Unternehmen aufgefordert, Listen
mit „überflüssigen“ Beamten einzureichen. Allerdings: Papandreou musste
feststellen, dass die allermeisten Personalchefs nicht nur keine
überflüssigen Mitarbeiter, sondern akuten Personalmangel zu vermelden
hatten. Zudem ließen die Gewerkschaften verlauten, sie würden den von oben
angeordnete Kahlschlag als Kriegserklärung auffassen.
Schließlich wurden weniger als 10.000 Staatsdiener in die „Arbeitsreserve“
überführt, die meisten von ihnen standen ohnehin kurz vor der Rente und
hatten sich wohl über die Frühpensionierung gefreut. Die Fortsetzung der
Sparpolitik mit anderen Mitteln im öffentlichen Dienst war gescheitert.
Vorerst.
Doch nun drängt die aus EU, EZB und IWF bestehende Troika immer stärker auf
die Verkleinerung des Staatsapparates. Dies gilt als Vorraussetzung dafür,
dass Griechenland die nächste Tranche des 130-Milliarden-Euro-Kredits
ausgezahlt bekommt – und damit dem Staatsbankrott entgeht.
## Die griechische Arbeitsreserve
Die neue Koalitionsregierung unter Antonis Samaras versucht es nun erneut
mit der „Arbeitsreserve“. Eine Regelung der Vorgängerregierung, nach der
nur einer von fünf in die Rente entlassenen Beamten ersetzt werden darf,
hat kaum Geld gespart. Zwar ist die Zahl der Beamten seit 2009 laut Troika
immerhin um 10,9 Prozent auf knapp 800.000 gesunken, doch damit dürften
sich die Gläubiger kaum zufrieden geben.
Nun sollen mindestens weitere fünf Prozent der Staatsbedienstete aus dem
Amt scheiden. Die Voraussetzungen dafür hat Premier Samaras jedoch
geändert: Die Personalreserve soll über bis zu drei Jahren gestreckt
werden, während dieser Zeit sollen die Betroffenen 70 Prozent ihres
heutigen Gehalts gezahlt bekommen. Ob der Köder diesmal geschluckt wird,
erscheint zweifelhaft. Jedenfalls ließ die oppositionelle Linkspartei
bereits verlauten, die Personalreserve sei verfassungswidrig und führe zum
„sozialen Genozid“.
10 Aug 2012
## AUTOREN
Jannis Papadimitriou
## ARTIKEL ZUM THEMA
Finanzhilfen für Griechenland: Kauder und Schäuble wollen nicht
Volker Kauder lehnt in der Schuldenkrise weitere Zugeständnisse an
Griechenland ab. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will nicht
mehr.
Gerhard Schröder über die Krise: „Griechen-Bashing muss aufhören“
Der Wirtschaftslobbyist und ehemalige Kanzler Gerhard Schröder spricht ein
Machtwort. Er fordert ein Ende der Verunglimpfung Griechenlands – und
greift damit CSU und FDP an.
Industrieverbände warnen: Nur nicht zu viel Solidarität
Staatsschulden-Finanzierung durch die EZB darf nicht sein, meint die
deutsche Industrie. Auch der Austritt „überforderter“ Länder aus der
Eurozone muss möglich sein.
Deutsche Wirtschaft trotzt der Krise: Rezession in der Eurozone
Das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands wächst leicht. In vielen anderen
Euro-Ländern sieht es nicht so gut aus – die Wirtschaftsleistung sinkt
weiter.
Neuer Schuldenschnitt für Athen gefordert: IWF stänkert gegen Euro-Länder
Der IWF will Griechenland nur unter einer Bedingung weiter Geld zur
Verfügung stellen: Die Euro-Staaten müssen einem Schuldenschnitt zustimmen.
Reaktion auf instabile Währungsunion: Konzerne drohen mit Kapitalflucht
US-amerikanische und britische Firmen drohen mit dem Abzug von Kapital aus
dem Euroraum. Experten erkennen darin nichts als Propaganda.
Debatte EU-Kritik: Unsere eigenartigen Europa-Kritiker
Bislang ereiferte sich niemand über Europa. Die EU gehörte den
Technokraten. Jetzt beginnt im egozentrischen Deutschland eine irrationale
Debatte.
Griechenland und die Eurozone: Söder will Exempel statuieren
Griechenland soll bis Ende des Jahres aus der Eurozone ausscheiden, fordert
der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU). „Irgendwann muss jeder
bei Mama ausziehen“, sagte er.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.