Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Bundeswehreinsatz im Inneren: Soldaten fürs aufsässige Volk
> Reservisten der Bundeswehr sollen die Polizei zur Aufstandsbekämpfung
> unterstützen dürfen. Eine erste Einheit ist nun in Bremen im Dienst.
Bild: Einsatz für die Bundeswehr im Inneren: Der G8-Gipfel 2007 in Heiligendam…
HAMBURG taz | Die Sicherheitsbehörden können in prekären Situationen
künftig auf militärische Unterstützung zurückgreifen, wenn polizeiliche
Mittel nicht ausreichend erscheinen. Aktuell stellt die Bundeswehr neue
Einheiten im Rahmen des sogenannten Heimatschutzes auf. Die Regionalen
Sicherungs- und Unterstützungskräfte (RSUKr) bestehen ausschließlich aus
Reservisten der Bundeswehr. „In Bremen hat die Kompanie schon im Juni ihren
Dienst aufgenommen“, bestätigt Oberstleutnant Uwe Roth vom
Bundesverteidigungsministerium.
Zum sogenannten Aufstellungsappell in der Scharnhorst-Kaserne war eigens
Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) an die Weser gereist. In
Bremen sei die Vorbereitung schon so weit vorangeschritten gewesen, dass
die Einheit einsetzbar sei, sagt Roth. „An den anderen Orten werden die
meisten Kompanien erst 2013 in Dienst gestellt.“
Die RSUKr-Einheiten werden insgesamt aus 2.700 Mann in 27 Kompanien
bestehen, die den in den sechzehn Bundesländern vorhandenen Landeskommandos
der Streitkräfte unterstellt sind. Offiziell ist die vorrangige Aufgabe,
„die aktive Truppe“ im Rahmen des Heimatschutzes zu unterstützen.
Verstanden wird darunter ein Bündel von Maßnahmen wie die „Überwachung und
Gewährleistung der Sicherheit des deutschen Luft- und Seeraums“ sowie die
„Absicherung militärischer Anlagen im Inland“ ebenso wie beim „Inneren
Notstand“ nach der Definition der Notstandsgesetze, wenn „Gefahr für den
Bestand der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ bestehe.
Beim „Inneren Notstand“ bedarf es jedoch des Einsatzbefehls der
Bundesregierung auf der Basis einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestages,
schreibt der Bremer Rechtsanwalt, Publizist und Vizepräsident der
Internationalen Liga für Menschenrechte, Rolf Gössner, in seinem Aufsatz
„Neue Sicherheitsarchitektur für den alltägliche Ausnahmezustand?“.
Möglich ist jedoch der Einsatz der RSUKr-Einheiten in Rahmen der
„Amtshilfe“ zur Unterstützung der Polizei beim „Schutz ziviler Objekte�…
„zum Schutz kritischer Infrastruktur“ und bei der „Bekämpfung organisier…
und militärischer bewaffneter Aufständischer“ oder „widerstrebender“
Bevölkerungsteile. „Hier haben wir bereits ein Element der militärischen
Aufstandsbekämpfung als Unterstützungshilfe für die Polizei“, sagt Gössne…
Nach einer Generalklausel der Europäischen Union könnte der
Amtshilfe-Einsatz auch beim politischen Generalstreik gegen
Versorgungseinrichtungen, gewaltsamen Massenprotesten, sozialen Unruhen
sowie Aktionen des zivilen Ungehorsam durch Streiks und/oder
Straßenblockaden im Transport- und Energie- oder Gesundheitswesen möglich
sein. Mit dieser Ausrichtung böten die neu aufgestellten RSUKr „allen
interessierten und geeigneten Reservisten Chancen des Engagements“, wirbt
die Bundeswehr.
Was mit der zivil-militärischen Zusammenarbeit gemeint sein kann, haben die
Protestler gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm erfahren müssen, wo
sich die Region im Ausnahmezustand befand. Damals waren 2.500
Bundeswehrsoldaten, Tornados, Awacs-Aufklärungsflugzeuge und
Fuchs-Spürpanzer zur Aufklärung und Abschreckung über oder in der Nähe der
Camps im Einsatz. Marineboote und -schiffe sicherten den Tagungsort
seewärts ab.
Die RSUKr-Einheit für Hamburg wird erst im Frühjahr 2013 einsatzbereit
sein. Das bestätigt auch Oberstleutnant Roth vom Verteidigungsministerium.
Sie wird nach taz-Information 150 Reservisten umfassen, die von
Reserve-Offizieren der Landesgruppe Hamburg des Verbandes der Reservisten
ausgesucht werden. Die Leute würden zurzeit „speziell gedrillt“, berichtet
ein Insider: „Die sind heiß drauf.“
Die innenpolitische Sprecherin der Hamburger Linkspartei, Christiane
Schneider, hält die Entwicklung mit dem Aufbau der RSUKr-Einheit Hamburg
für gefährlich. Schon jetzt seien Bundeswehr-Reservisten in die Strukturen
des Katastrophenschutzes integriert. „Darüber kann man ja noch streiten“,
sagt Schneider der taz, „aber eine militärische Unterstützung der Polizei
lehnen wir kategorisch ab.“
10 Aug 2012
## AUTOREN
Kai von Appen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Gefechtsübungszentrum bei Magdeburg: Schnöggersburg unter Beschuss
Die Bundeswehr baut die „Kampfstadt“ Schnöggersburg, um den Häuserkampf zu
trainieren. Die Linkspartei glaubt, dort werde der „Einsatz im Inland“
geübt.
G8-Proteste in Heiligendamm: Demoverbot war rechtswidrig
Ein Gericht kritisiert das Sicherheitskonzept beim G-8-Gipfel 2007.
Insbesondere das Verbot des Sternmarschs sei rechtswidrig gewesen.
Bundeswehreinsätze im Inland: Für jede Partei was dabei
Das Urteil des Verfassungsgerichts zu Militäreinsätzen im Inland ist
weniger eindeutig als gedacht. Von den fünf Parteien im Bundestag hat jede
eine eigene Interpretation.
Kommentar Reservekommandos der Bundeswehr: Gefährliche Entwicklung
Der Einsatz von Reservisten als Hilfspolizisten ist gefährlich, da sie eine
militärische Ausbildung haben. Und das Militär tickt einfach anders.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.