| # taz.de -- Essays des Kunsthistorikers Hal Foster: Aufstieg des Spektakels | |
| > Die Essays des Kunsthistorikers Hal Fosters sind eine Fundgrube | |
| > scharfsinniger Einsichten zu Kunst und Kunstspektakel. Jetzt liegen sie | |
| > endlich auf Deutsch vor. | |
| Bild: Das Bilbao-Guggenheim zur Erföffnung 1997. | |
| Ist das noch Kunst? Oder ist es schon Design? Seit 1997 im baskischen | |
| Bilbao das Guggenheim Museum öffnete, steht die Frage im Raum. Natürlich | |
| war Frank Gehrys silbern geschupptes Oval am Ufer des Nervión eine | |
| Sternstunde der Architektur. Doch bis heute nörgeln viele Kritiker, der | |
| spektakuläre Bau tauge mehr zum Stadtmarketing denn als Kunstmuseum. | |
| Dieser schillernde Gestaltwandel ist auch das Mantra von Hal Foster, dem | |
| 1955 geborenen Kunsthistoriker und Kunstkritiker, der heute an der | |
| Princeton University lehrt. „Design und Verbrechen“ – den Titel seiner | |
| Aufsatzsammlung darf man durchaus programmatisch verstehen. „Schmähreden“, | |
| so ihr Untertitel, schreibt Foster aber nicht, sondern kluge Essays, wie | |
| man sie auch in Deutschland selten findet. Zehn Jahre nach ihrem Erscheinen | |
| 2002 in den USA liegen sie nun zum ersten Mal auf Deutsch vor. | |
| Ob Foster untersucht, wie Frank Gehry erst die versteinerte Moderne | |
| erneuert und dann zum Populisten von Bilbao mutiert. Ob er minutiös | |
| nachzeichnet, wie sich die amerikanische Kunstkritik zu Beginn der | |
| siebziger Jahre in Spätmodernisten und Neoavantgardisten spaltet. Selbst | |
| wenn er der neuen Bildwissenschaft vorhält, mit ihrer „unkritischen | |
| Begeisterung für die visuelle Kultur“ dem Posthistoire in die Hände zu | |
| arbeiten – skrupulöser und nuancierter argumentiert kaum einer, nicht nur | |
| in der amerikanischen Kunstszene nicht. | |
| Fosters Buch ist eine Fundgrube scharfsinniger Einsichten. Dem ehemaligen | |
| Kurator des New Yorker Whitney Museums nimmt man es ab, wenn er beklagt, | |
| dass die Museen immer mehr auf visuelle Spektakel statt auf Baudelaires | |
| „Mnemotechnik des Schönen“ setzen. | |
| Sein großes Trauma ist das Verschwinden der Avantgarde. Deren Fähigkeit zum | |
| radikalen Form- und Gesellschaftswandel er nachtrauert. So wie sie aber | |
| Kunst und Leben verbinden wollte, habe sie ihr kritisches Vokabular der | |
| Ökonomie ausgeliefert. „Das zeitgenössische Design“, bilanziert er, „ist | |
| Teil der großen Rache des Kapitalismus an der Postmoderne – eine | |
| Rekuperation der Grenzüberschreitungen in den Künsten und Wissenschaften, | |
| eine Routinisierung solcher Transgressionen.“ | |
| Seinen Titel hat Fosters Buch nicht von ungefähr. Er sieht diese | |
| Entwicklung nämlich als Neuauflage dessen, was der Wiener Architekt Adolf | |
| Loos schon 1908 in „Ornament und Verbrechen“ geißelte. Der Jugendstil, so | |
| sein frappierendes Rereading des Klassikers, versuchte Subjekt und Objekt | |
| ähnlich zu verschmelzen wie Designer heute. | |
| ## Autonomie der Kunst | |
| Entgegenhalten muss man Foster die lange Linie progressiver Ideen von | |
| angewandter Kunst – von der Arts&Crafts-Bewegung bis zum Bauhaus. | |
| Und nicht wenige Designer des 21. Jahrhunderts wollen mehr als nur | |
| Designerbabys, Firmenlogos und Lifestyle-Strategien entwickeln. Sie | |
| verstehen ihr Metier längst als kritische Entwicklungsleistung – vom | |
| kompostierbaren Tennisball bis zur Institutionenkritik. | |
| Natürlich: Wer beobachtet, wie sich die Kunst dieser Tage unter dem Motto | |
| der politischen Nützlichkeit wieder ins Leben entgrenzen will, wird Foster | |
| zustimmen, wenn er zurück zu Adornos „Autonomie der Kunst“ will. Doch die | |
| Gleichung: hier die hehre Kunst – da der Türsteher zum „beinahe totalitär… | |
| System der zeitgenössischen Konsumwelt“ klingt ungewohnt für einen, der | |
| sich sonst gegen Pauschalbegriffe wie den „Megastore der Beliebigkeit“ | |
| wehrt. | |
| Hal Foster setzt an die Stelle des diffusen Unbehagens über einen | |
| Kapitalismus, der sich immer wieder die kritische Ästhetik einverleibt, | |
| eine kunsthistorisch fundierte Ideologiekritik. Das letzte Wort über Design | |
| als Ästhetik des Widerstands ist mit seinen luziden Aufsätzen aber noch | |
| nicht gesprochen. | |
| 16 Aug 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ingo Arend | |
| ## TAGS | |
| Adorno | |
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