| # taz.de -- Äthiopiens verstorbener Regierungschef: Der Wille zur Macht | |
| > Vom Rebellen zum Regierungschef: Meles Zenawi war eine der komplexesten | |
| > politischen Persönlichkeiten Afrikas – einflussreich und umstritten. Wie | |
| > er sein Land und sich veränderte. | |
| Bild: Ein Portrait des verstorbenen Staatsführer Zenawi wird abgehängt. | |
| NAIROBI taz | Meles Zenawi war eine der komplexesten politischen | |
| Persönlichkeiten Afrikas, so einflussreich wie umstritten. Und vielleicht | |
| war der Äthiopier einer der letzten afrikanischen Vertreter einer | |
| Politikergeneration, die auf der Grundlage explizit politischer Ideen | |
| handelte und Macht nicht nur zur persönlichen Bereicherung erstrebte. | |
| Zumindest in den ersten Jahren war Meles ausgesprochen ideologisch: ein | |
| Stalinist der harten Schule, dem ein Land wie Albanien als vorbildlich | |
| galt. Damals, in den 1980er-Jahren, kämpfte der ehemalige Student noch im | |
| Untergrund gegen den sozialistischen Militärdiktator Mengistu Haile Mariam. | |
| Durch seinen scharfen Verstand hatte er sich damals schon einen Namen | |
| gemacht, und auch seine Willensstärke fiel auf. Aus der nordäthiopischen | |
| Region Tigray stammend, hatte er sich der „Tigray-Volksbefreiungsfront“ | |
| (TPLF) angeschlossen, die später mit anderen regionalen | |
| Befreiungsbewegungen zur „Revolutionären Demokratischen Front der | |
| Äthiopischen Völker“, (EPRDF) verschmolz. Schon im Untergrund kämpfte sich | |
| Zenawi nach vorne. | |
| Nach dem Sieg über das Mengistu-Regime 1991 wurde die EPRDF | |
| Regierungspartei mit Meles Zenawi an der Spitze. Bis 1995 war er Präsident, | |
| danach blieb er Regierungschef. Auch wenn ihm die Härte des ehemaligen | |
| Untergrundkämpfers eigen blieb, schaffte er den Wandel zum Staatsmann. | |
| Nebenbei belegte er Fernstudiengänge in Wirtschaftswissenschaften an | |
| Universitäten in Großbritannien und den Niederlanden. | |
| Mit dem Griff nach der Macht 1991 legte Meles seine stalinistischen Ideen | |
| nach und nach ab. Er schaffte es, binnen weniger Jahre zu einem engen | |
| Bündnispartner der USA zu werden. Die deutsche staatliche Entwicklungshilfe | |
| GIZ (Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) hat in Äthiopien eines | |
| der größten Länderteams weltweit, für Großbritannien ist Äthiopien der | |
| größte einzelne Empfänger von Entwicklungshilfe. Doch trotz | |
| wirtschaftlicher Wachstumsraten im zweistelligen Bereich wurde die Kritik | |
| von Menschenrechtsgruppen an Meles Zenawi in den letzten Jahren immer | |
| lauter: Er habe Oppositionelle willkürlich verhaften lassen, die | |
| Pressefreiheit beschnitten. | |
| Mit seinem starken Willen prägte Meles Zenawi nicht nur die Geschichte | |
| seines Landes, sondern auch der Region. Ein Grenzkonflikt mit dem einstigen | |
| Bündnispartner Eritrea, das er nach seiner Machtergreifung in die lang | |
| ersehnte Unabhängigkeit entlassen hatte, eskalierte 1998 zum Krieg, der | |
| Zehntausende das Leben kostete. Die UNO erklärte im Nachhinein, das | |
| umstrittene Stückchen Land gehöre zu Eritrea, Äthiopien müsse das eroberte | |
| Gebiet räumen. Meles schaffte das Kunststück, den Schiedsspruch zu | |
| ignorieren, ohne seine Stellung als Lieblingspartner des Westens zu | |
| verlieren. | |
| Das langjährige gute Verhältnis zu den USA vertiefte Meles noch, als | |
| Äthiopien im benachbarten Somalia die Rolle des Partners im | |
| „Antiterrorkampf“ gegen Islamisten übernahm. 2006 marschierten äthiopische | |
| Truppen offiziell in Somalia ein, ohne auf ein internationales Mandat zu | |
| warten, und blieben drei Jahre. Noch heute helfen sie im Kampf gegen die | |
| islamistischen Shabaab-Milizen. | |
| Somalia und Äthiopien gelten als Erzfeinde, die Präsenz äthiopischer | |
| Truppen in ihrem Land trieb auch viele Nicht-Islamisten in Somalia in den | |
| Untergrund. Aber dennoch gilt Äthiopien dem Westen im Vergleich zu Nachbarn | |
| wie Eritrea, Somalia und Südsudan als Anker der Stabilität und | |
| Zuverlässigkeit, und Meles Zenawi galt als unverzichtbarer Partner in einer | |
| unruhigen und strategisch wichtigen Weltregion. | |
| 21 Aug 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Bettina Rühl | |
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