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# taz.de -- Dokumentarfilm über das AKW Brokdorf: Am Ende eines Kampfs
> „Das Ding am Deich“ resümiert den Widerstand der Brokdorfer gegen ihr
> AKW. Die Stimmung schwankt zwischen abgeklärter Resignation und zivilem
> Ungehorsam.
Bild: Illusion der Sicherheit: Kühe vor dem Atomkraftwerk Brokdorf.
Das Schwimmbad von Brokdorf an der Elbe ist großzügig dimensioniert und
verfügt unter anderem über eine Rutsche, auf der schon Weltrekordversuche
unternommen wurden. Dass eine kleine Gemeinde so etwas anzubieten hat, hat
mit einem anderen Infrastrukturprojekt in der Region zu tun.
In Brokdorf ging 1986 ein Atomkraftwerk ans Netz, dessen Errichtung gegen
den Protest zahlreicher Menschen durchgesetzt wurde. Die Brokdorfer (und
die benachbarten Wewelsflether) waren in der Mehrzahl gegen den Bau des
Reaktors und ließen sich auch von den großzügigen Subventionen für ein Bad
nicht besänftigen.
In dem Dokumentarfilm „Das Ding am Deich“ von Antje Hubert wird der
Widerstand gegen Brokdorf in Form einer „oral history“ rekonstruiert, und
zwar während des Jahres, das mit der Katastrophe von Fukushima ein
grundsätzliches Umdenken in der deutschen Atompolitik mit sich brachte.
Dass dabei jede, auch nur klammheimliche Befriedigung unangebracht ist,
versteht sich von selbst: Die Gegner der Risikotechnologie „friedliche
Kernenergie“ wollen ihre schlimmsten Befürchtungen nicht bestätigt sehen.
Die eigentümliche Perspektive, die mit der Atomenergie in die
Lebensgeschichten der Menschen kommt, bringt ein Mitarbeiter des
Katastrophenschutzes zum Ausdruck, der sich fragt, wo er im Ernstfall eher
anzutreffen wäre: „Hier an meinem Aufgabenbereich? Oder bei meinen kleinen
Töchtern? Ich kann es nicht sagen.“
## Abgeklärte Resignation
Generell ist die Stimmung in „Das Ding am Deich“ aber eine der abgeklärten
Resignation. Die Menschen, die hier vom Auf und Ab eines langen,
vergeblichen Kampfes erzählen, haben ja nicht nur eine Niederlage zu
verarbeiten (die meisten Interviews wurden vor dem zweiten Atomausstieg
gedreht), sie sind auch in ihrer Katastrophenangst zumindest vor der
Haustür nicht bestätigt worden. So leben sie nun schon eine ganze Weile mit
dem Reaktor, manche gehen sogar wieder in die Elbe schwimmen oder haben
sich das nie nehmen lassen.
Eine frühe Generation bundesdeutscher Protestkultur wird hier erkennbar.
Menschen wie der Milchbauer Uwe Bolten und seine Frau Renate, deren
Besonnenheit verrät, dass es schon ein herausragender Fall ist, durch den
sie sich zum zivilen Ungehorsam aufgerufen fühlten.
Für Antje Hubert haben die Protagonisten des Films die Fotoalben geöffnet,
sie erzählen davon, wie die im tiefen Winter zu vielen Tausenden
anreisenden Atomkraftgegner in ihren Fluren Schlange standen, um auf die
Toilette zu gehen. Und sie erzählen davon, wie der Meteorologe Karsten
Hinrichsen, wie die Behörden mit den Gegnern des AKW Brokdorf umgingen:
Wesentliche Teilsiege wurden vor Gericht erfochten, doch gerade der
zwischenzeitliche Baustopp nahm dem Protest viel Schwung.
## Die Kehrtwende
Heute noch wünscht Hinrichsen sich eine prinzipiell andere, dezentrale
Energieversorgung, in der Konzerne keine Rolle spielen würden, sondern die
Gemeinden für sich selbst sorgen sollten. An diesem Punkt wird eine andere,
mögliche Geschichte erkennbar, eine, die sich nicht in
Oppositionsreminiszenzen erschöpfen müsste.
Doch „Das Ding am Deich“ hat durch die Ereignisse der jüngsten Zeit
unvermutet eher eine bilanzierende Note bekommen: Während der
Fertigstellung des Films vollzog die Bundeskanzlerin ihre Kehrtwende in der
Atompolitik, und nun sieht sich ohnehin das ganze Land vor der
Herausforderung der Energiewende.
Die atomare „Brückentechnologie“ aber ist immer noch gegenwärtig. Brokdorf
soll 2021 abgeschaltet werden. Das sind noch fast zehn Jahre, in denen
Karsten Hinrichsen zumindest gelegentlich nach den Jodtabletten sehen wird.
„Das Ding am Deich“. Dokumentarfilm. Regie: Antje Hubert. Deutschland,
2012, 96 Min.
23 Aug 2012
## AUTOREN
Bert Rebhandl
## TAGS
Atomausstieg
Dokumentarfilm
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