# taz.de -- Energieversorgung in Ungarn: Orbán sitzt bald am Lichtschalter | |
> In Ungarn will die Regierung die Energiekonzerne verstaatlichen, um mehr | |
> Einfluss auf die Preise zu nehmen. Auch Eon ist davon betroffen. | |
Bild: Orbán versteht in Sachen Energieversorgung nur selten Spaß: Strommast n… | |
Ungarns Energiekonzerne sollen verstaatlicht werden. Diese Unternehmen | |
sollten künftig aus der Versorgung der Bevölkerung keine Profite mehr | |
ziehen, kündigte der nationalkonservative Premier Viktor Orbán an. | |
Betroffen wäre auch der deutsche Energiekonzern Eon. | |
Er hatte 2005 die Gassparte vom größten ungarischen Versorger Mol für 2,1 | |
Milliarden Euro erworben. Eon-Aktivitäten würden „innerhalb kürzester Zeit | |
zurückgekauft“, sagte Orbán laut der Nachrichtenagentur MTI im ungarischen | |
Köszeg. Eon äußerte sich dazu nicht. | |
Ob er auch an Enteignungen denke, falls die Deutschen nicht verkaufen | |
wollten, sagte Orbán nicht. Die Budapester Regierung verfügt über eine bis | |
2016 gültige Rückkaufoption für die ungarische Eon-Tochter. Mit einem | |
Jahresumsatz von zuletzt 1,95 Milliarden Euro ist sie für Deutschlands | |
größten Energiekonzern die wichtigste Auslandstochter im Gasvertrieb. | |
Orbán verspricht sich von der Maßnahme eine Kontrolle über die | |
Energiepreise. Bereits seit längerem fährt seine Regierung eine Politik, | |
Zugriff auf „Industriebereiche von national-strategischer Bedeutung“ zu | |
erhalten. Gemeinnützige Unternehmen dürfen ihre Profite bereits nur noch | |
für den Unternehmenszweck verwenden, also für Wartung, Forschung und | |
Investitionen. Überschüsse sind an den Staat abzuführen. Warnungen, die | |
Reform würde gegen EU-Recht verstoßen, lassen den Premier bislang | |
unberührt. | |
Die EU-Kommission wollte am Montag keine Stellungnahme zu den Plänen | |
abgeben. Zu Absichtserklärungen aus Mitgliedstaaten äußere man sich | |
grundsätzlich nicht, sagte eine Sprecherin. Da das Vorhaben aber gegen eine | |
der Grundfreiheiten der EU verstoßen würde, ist mit einem weiteren | |
Vertragsverletzungsverfahren gegen Budapest zu rechnen. | |
## Gulaschkommunismus 2.0 | |
Bereits zu Jahresbeginn hatte die Kommission ein Verfahren wegen der | |
Verletzung der Unabhängigkeit der ungarischen Justiz und der ungarischen | |
Datenschutzbehörde eingeleitet. Die Regierung musste daraufhin Gesetze, die | |
ihr größeren Zugriff auf die Justiz ermöglicht hätten, modifizieren. | |
Hintergrund von Orbáns Vorstoß sind die trotz freien Wettbewerbs stark | |
gestiegenen Energiekosten und die wenig transparente Preisgestaltung der | |
Energieversorger. Kritiker wenden allerdings ein, dass sich die | |
Planwirtschaft in Ungarn, früher unter dem Stichwort „Gulaschkommunismus“ | |
bekannt, nicht bewährt habe. | |
Zudem werden negative Auswirkungen auf Kundenfreundlichkeit, Effizienz und | |
Ausbau neuer Technologie befürchtet, falls die Energieversorgung in | |
staatliche Hand gelangt. Außerdem wird befürchtet, dass künftig auch | |
politische Erwägungen eine Rolle spielen könnten, wenn der Staat oder die | |
derzeit allmächtige Fidesz-Partei am Lichtschalter sitzen. | |
Viktor Orbán hatte ausländische Konzerne schon 2010 mit einer Sondersteuer | |
verärgert. Was die meisten Manager auch erzürnt, ist die Unberechenbarkeit | |
der oft von Populismus geleiteten ungarischen Wirtschaftspolitik. Auch | |
einheimische Ökonomen sind oft nicht mit Orbáns Kurs einverstanden. Ungarn | |
hängt stark von ausländischem Kapital ab. Zwar gehören nur 3,3 Prozent der | |
Firmen im Land ausländischen Investoren, doch sind 26 Prozent der fest | |
Angestellten dort beschäftigt. | |
27 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonard | |
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