# taz.de -- Schachlegende Bobby Fischer: Kompromissloser Großmeister | |
> Bobby Fischer war schon zu Lebzeiten eine Schachlegende. Frank Bradys | |
> Biografie „Endspiel“ skizziert hervorragend Leben und Spielmanie des | |
> Einzelkämpfers. | |
Bild: Immer bedingungslos auf Sieg gespielt: Schach-Weltmeister Bobby Fisher. | |
Der Triumph war perfekt, die Tragödie begann. Am 1. September 1972 gab | |
Boris Spasski die tags zuvor abgebrochene Hängepartie im 41. Zug auf: Bobby | |
Fischer hatte im „Kampf des Jahrhunderts“ die geballte Sowjetmacht im | |
Alleingang geschlagen. Weder vorher noch nachher zog Schach die Welt so in | |
ihren Bann wie vor 40 Jahren. | |
Der Amerikaner entthronte in Reykjavík Titelverteidiger Spasski mit | |
12,5:8,5. Der Einzelgänger aus dem Land des Kapitalismus hatte in einem | |
Stellvertreterkrieg mit 16 Figuren die Kommunisten in deren Staatssport | |
blamiert. US-Präsident Richard Nixon lud den neuen Helden ins Weiße Haus | |
ein – doch Fischer kam nicht. | |
Nicht das erste Mal, dass der Exzentriker jemanden vor den Kopf stieß. Weil | |
auf Island seine Forderungen nach seiner Auftaktniederlage („Die Kameras | |
sind zu laut und müssen weg“) nicht alle erfüllt wurden, verlor der | |
Amerikaner die zweite Partie kampflos. Schiedsrichter Lothar Schmid konnte | |
nur mit Mühe den Abbruch der WM verhindern und drückte die beiden | |
Kontrahenten in einer Nebenkammer in die Stühle: „Spielt jetzt!“, forderte | |
er die Protagonisten auf. | |
Spasski zog, Fischer verkürzte auf 1:2, siegte nach 21 Partien – und | |
beendete abrupt seine steile Karriere. Immer wieder stieß Fischer andere | |
vor den Kopf, nervte mit immer neuen Forderungen und entwickelte | |
hanebüchene Verschwörungstheorien, die trotz jüdischer Vorfahren in | |
Antisemitismus gipfelten. | |
## Der jüngste Großmeister aller Zeiten | |
Bezeichnend sind hier die Telegramme, die das Fürstentum Monaco an den | |
US-Schachverband schickte: „Laden zwei Großmeister ein – einer davon | |
Fischer!“, hieß es 1967. Im Jahr darauf fügten die Monegassen nur einen | |
Buchstaben hinzu: „Laden zwei Großmeister ein – keiner davon Fischer!“ | |
Die Schachwelt lag ihm dennoch zu Füßen. Remis-Absprachen wie unter den | |
verhassten Sowjets verabscheute der damals jüngste Großmeister aller | |
Zeiten, gnadenlos spielte er immer auf Gewinn. Das machte ihn auch | |
endgültig zur Legende, als er auf dem Weg zum WM-Finale unvorstellbare 19 | |
Partien in Folge gewann. | |
Zahllose Schachautoren beschäftigen sich bis heute mit dem Phänomen. Doch | |
kaum einer hat über Fischer so trefflich geschrieben wie Frank Brady. Er | |
kannte ihn seit jungen Jahren. Seine Biografie geriet entsprechend | |
tiefgründig und mitreißend, selbst für Nichtschachspieler. Trefflich ist | |
schon allein der doppeldeutige Titel „Endspiel“: So wird die Endphase im | |
Schach genannt, könnte aber auch das tragische Ende des verfolgten Genies | |
meinen. | |
Das neueste Werk des Biografen von Schauspielerin Barbra Streisand, der | |
griechischen Reeder-Legende Aristoteles Onassis und Playboy-Gründer Hugh | |
Hefner, schoss 2011 in die US-Bestsellerlisten. Der Riva-Verlag bietet den | |
480 Seiten starken Schach-Krimi über das irre Leben Fischers nun auf | |
Deutsch an. | |
## 179 Punkte umfassender Forderungskatalog | |
Vor der Titelverteidigung gegen den Russen Anatoli Karpow pochte Fischer | |
auf einen 179 Punkte umfassenden Forderungskatalog. Dem kompromisslosen | |
Weltmeister wurde deshalb 1975 der Titel aberkannt. Erst eine | |
Millionenofferte lockte ihn während des Jugoslawienkriegs wieder 1992 gegen | |
Spasski ans Brett. Der Sieg elektrisierte die Fans einmal mehr. | |
Er machte Fischer aber wegen des Embargos, das damals gegen Jugoslawien | |
verhängt war, noch einsamer. Weil er vor dem ersten Zug auf ein Schreiben | |
spuckte, das ihm das Duell verbot, verfolgten ihn die US-Behörden | |
erbarmungslos. In Japan wurde der Flüchtende gar inhaftiert. Island | |
gewährte dem gefallenen Helden aus Dankbarkeit Asyl. | |
Laut Brady war der einsame Wolf vor seinem Tod 2008 zu einer späten | |
Erkenntnis gelangt: „Im Spiel des Lebens bin ich solch ein Versager!“ Bobby | |
Fischer starb im Alter von 64 Jahren. 64 – so viele Felder hat ein | |
Schachbrett. | |
30 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Hartmut Metz | |
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