# taz.de -- Kommentar Antisemitismus: Das geht alle an | |
> Es ist zu schlicht, Antisemitismus als Problem von Muslimen zu sehen. Er | |
> ist eine Spielart des Rassismus, der sich die gesamte Gesellschaft | |
> stellen muss. | |
Wenn jemand aufgrund seiner Herkunft, Hautfarbe oder Religion auf offener | |
Straße angegriffen wird, dann ist das immer ein Skandal. Wenn es sich dabei | |
um einen jüdischen Geistlichen handelt, dann wiegt das in Deutschland | |
besonders schwer. | |
Dass ein Rabbiner in Berlin von vier offenbar arabischstämmigen | |
Jugendlichen bedroht und geschlagen wurde, hat deshalb zu Recht breite | |
Empörung ausgelöst. Es zeugt von funktionierenden Reflexen, dass sich viele | |
jetzt mit dem Opfer solidarisch zeigen, dass sich in seinem Stadtteil eine | |
Bürgerinitiative gebildet hat und in Berlin mehrere | |
Solidaritätskundgebungen geplant sind. | |
Dem Präsidenten des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, ist das nicht | |
genug. Er hat jetzt speziell von den muslimischen Verbänden mehr Engagement | |
im Kampf gegen den Antisemitismus gefordert. Nun kann man immer mehr tun, | |
um Antisemitismus zu bekämpfen. Fraglich ist aber, warum allein die | |
muslimischen Verbände der richtige Adressat für diese Forderung sein | |
sollen. | |
Noch weiß man ja nicht einmal, ob es überhaupt muslimische Jugendliche | |
waren, die den Rabbiner angegriffen haben – es gibt ja auch christliche | |
Araber. Aber selbst wenn es muslimische Jugendliche waren, so steht zu | |
bezweifeln, dass es in der Macht der muslimischen Verbände steht, solche | |
Vorkommnisse zu verhindern und solche Jugendliche überhaupt zu erreichen. | |
Wer weiß, ob diese Leute jemals in eine Moschee gehen? | |
Richtig ist, dass bei manchen Muslimen aufgrund des Nahostkonflikts starke | |
Ressentiments gegen Juden insgesamt bestehen. Dagegen hilft nur Aufklärung. | |
Richtig ist aber auch, dass der Dialog zwischen Juden und Muslimen | |
hierzulande in den vergangenen Jahren große Fortschritte gemacht hat. Erst | |
jüngst hat der Furor der Beschneidungsdebatte die beiden Minderheiten zudem | |
wieder enger zusammenrücken lassen. | |
Antisemitismus wiederum ist keineswegs auf Einwanderer beschränkt, sondern | |
hat in Deutschland Tradition – auch in den sogenannten besseren Kreisen. | |
Neunzig Prozent aller antisemitischen Straftaten gehen auf das Konto von | |
deutschen Rechtsradikalen. Es wäre daher zu schlicht, Antisemitismus allein | |
als Problem von Muslimen zu sehen. Es ist eine Spielart des Rassismus, der | |
sich die gesamte Gesellschaft stellen muss – in den Schulen, den Medien und | |
in der Politik. | |
31 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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