# taz.de -- Angriff auf jüdische Schülerinnen: Mehr als nur ein Wortgefecht | |
> Nach einem neuen antijüdischen Zwischenfall verschärft sich der Ton | |
> zwischen dem Zentralrat der Juden und Muslimen. Der Islamrat will „keine | |
> Lehrstunden“. | |
Bild: So geht es auch: VertreterInnen verschiedener Religionen friedlich verein… | |
BERLIN taz | Es war nicht bloß ein Geplänkel. Als 13 Schülerinnen der | |
orthodoxen Jüdischen Traditionsschule Or Avner am Montag in Berlin vor der | |
Turnhalle auf ihre Sportlehrerin warteten, wurden sie von anderen | |
SchülerInnen einer nahe gelegenen Oberschule angepöbelt. Dabei „wurde auch | |
gespuckt“, sagte die Leiterin der Schule, Heike Michalak, am Dienstag zur | |
taz. | |
Weil die Angreifer „südländisch“ aussahen, wie es in Agenturberichten | |
heißt, und eines der Mädchen ein Kopftuch getragen haben soll, hat die | |
Debatte über antisemitische Einstellungen unter muslimischen Jugendlichen | |
neue Nahrung erhalten. | |
Erst am vergangenen Dienstag war in Berlin ein Rabbiner von mehreren | |
offenbar arabischstämmigen Jugendlichen beleidigt und verprügelt worden; | |
der Fall hatte bundesweit für Empörung gesorgt. Am Wochenende hatte es in | |
Berlin deshalb gleich zwei Solidaritätskundgebungen gegeben. | |
„Dass jüdische Kinder antisemitisch angepöbelt werden, wie gestern in | |
Berlin geschehen, ist leider heute keine Seltenheit“, kritisierte Dieter | |
Graumann, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, gegenüber | |
der taz den neuerlichen Vorfall. „Die muslimischen Verbände in Deutschland | |
werden bislang ihrer Verantwortung, sich gegen die immer stärkere | |
Judenfeindschaft in den eigenen Reihen zu wenden, nur höchst ungenügend | |
gerecht“, setzte er nach. | |
## Kritik am organisierten Islam | |
„Es wird Zeit, dass der islamistische Antisemitismus auf muslimischer Seite | |
zum Thema wird“, findet auch der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu | |
Berlin, Gideon Joffe. Die jüdischen Verbände haben damit ihre Kritik am | |
organisierten Islam in Deutschland verschärft. | |
Der aktuelle Vorsitzende des Koordinationsrats der Muslime, Ali Kizilkaya, | |
hatte sich am Montag gegen solche Vorwürfe gewandt. „Muslime brauchen da | |
keine Lehrstunde“, sagte der Vorsitzende des Islamrats in | |
Zeitungsinterviews. | |
In den Moscheegemeinden, die seinem Dachverband angehören, werde schon | |
jetzt „in regelmäßigen Abständen in Predigten und Freitagsansprachen sowie | |
in religiöser Unterweisung Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit | |
und alle Arten von Fremdenfeindlichkeit thematisiert“, immer wieder auch | |
„die Gleichheit der Menschen betont und alle Formen von Gewalt abgelehnt“, | |
hieß es ergänzend am Dienstag in einer Erklärung. Der Koordinationsrats der | |
Muslime wurde 2007 als gemeinsamer Dachverband für die vier größten | |
muslimischen Einzelverbände gegründet, die abwechselnd den Vorsitz führen. | |
„Ja, wir Muslime müssen mehr tun und uns dem Thema stärker zuwenden“, | |
setzte sich dagegen Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der | |
Muslime, am Dienstag gegenüber der taz von seinem Verbandskollegen ab. | |
„Unser Glauben ruft uns dazu auf, Rassismus in jeder Form zurückzuweisen“, | |
sagte er. Aber: „Wir müssen den interreligiösen Dialog mit den jüdischen | |
Gemeinden, den es ja schon gibt, weiter ausbauen und pflegen“. | |
4 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
R. Sartorius | |
D. Bax | |
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