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# taz.de -- Kommentar Bio-Lebensmittel: Moderner Ablasshandel
> Eigentlich ist es eine großartige Sache, dass Bio im Mainstream
> angekommen ist. Allerdings sind die staatlichen EU-Biosiegel keine
> verlässliche Garantie.
Man isst wenig Fleisch und wenn, dann bio. Wer diese Aussage noch nicht
ausführlich gesmalltalkt hat, der werfe die erste Ökotomate. In Kreisen
gewissenhaft Lebender beschreibt er einen allgemein akzeptierten Mittelweg
zwischen gelegentlicher Fleischeslust und moralischem Konsumverhalten. Wer
am Dönerstand gesündigt hat, der beichtet es an der nächsten Biomarktkasse
mit dem Geldbeutel.
Eigentlich ist es eine großartige Sache, dass Bio im Mainstream angekommen
ist. Dass sich die Leute Gedanken darüber machen, was sie essen, und ob sie
damit dem Klima schaden, Tiere quälen oder Monokulturen fördern, für die in
armen Wüstenländern fossile Wasservorräte geplündert werden. Allerdings:
Für all das sind die staatlichen EU-Biosiegel keine Garantie. Was an einem
Bio-Apfel aus Neuseeland ökologisch sein soll, das weiß der Herrgott
allein. Das EU-Biosiegel ist völlig unzureichend, ein Zusatzgeschäft für
Discounter. Für alle, die gedankenlos nach der Siegelware greifen, droht
der Bio-Einkauf zum Ablasshandel zu verkümmern. Diese
Biobio-Beruhigungspille schläfert ausgerechnet die kritischen Konsumenten
ein, dabei wollten sie doch die Welt verändern.
Jetzt warten Wissenschaftler der Universität Stanford mit einer Metastudie
zu dem Thema auf. Sie ist seriös und wertet ein breites Spektrum an
Publikationen aus. In diesen wurde untersucht, ob Bio gesünder ist als
konventioneller Anbau. Das wenig überraschende Ergebnis:
höchstwahrscheinlich nicht. Bringt Bio also nichts, weder für die Umwelt
noch für den Körper?
Mitnichten. Die Studie fasst den Stand der Forschung zusammen und deutet
vor allem auf große Wissenslücken hin. Etwa: Wer Bio isst, nimmt weniger
Pestizide auf. Wie die Kombination mehrerer solcher Stoffe aber über
längere Zeiträume im Körper wirkt – darüber ist zu wenig bekannt. Explizit
weisen die Autoren auf mögliche Gefahren für Kinder hin.
Das Ergebnis kann deshalb nur heißen: Erstens braucht es dringend mehr
Aufklärung darüber, wie schädlich Agrochemie ist. Zweitens müssen Biosiegel
endlich Kriterien wie Tierhaltung, regionale Herkunft und Klimaschutz
stärker berücksichtigen. Die kleinen Siegel, die auf zusätzliche Standards
setzen, sind viel zu oft Luxusprodukte für Gutbetuchte. Und die ihr täglich
Brot bio kaufen: Denn damit fängt kritisches Konsumieren gerade erst an.
4 Sep 2012
## AUTOREN
Ingo Arzt
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