# taz.de -- Kolumne Wortklauberei: Im x-ten Durchgang | |
> Eine Schimpferei mehr über die kritikwürdige Ausdrucksweise von | |
> Fußballreportern. | |
Bild: So einfach kann Berichterstattung über Fußball sein. | |
Jucheeee, ’s ist wieder Bundesliga! Puh. Ist Ihnen das auch so wurscht? Ich | |
bin kalt wie ein Fisch. Außerdem immer noch viel zu olympisiert – ich hätte | |
gut noch ein paar Wochen Stabhochsprung, Gehen, Windschattenradeln, | |
Synchronschwimmen (yeah!) etc. pp. als die Dunkelrealität aufhellendes | |
Hintergrundrauschen vertragen. | |
Bundesliga also, das ist wie Bürogehen und Eurorettung, der Alltag hat uns | |
wieder. Gut, jetzt wird bei den Sportlerinterviews in der Mixed Zone nicht | |
mehr ständig die Bundespolizei gegrüßt, dafür reden andererseits | |
Kommentatoren wieder vom „zweiten Durchgang“, wenn es um die zweite | |
Halbzeit eines Fußballspiels geht. Ich packe das nicht. | |
Am Wochenende (auf der Suche nach den Paralympics) kurz an der Sportschau | |
vorbeigezappt, und kaum ist man zwei Minuten da, ist da auch schon Steffen | |
Simon mit der Zusammenfassung eines mich peripher tangierenden | |
Fußballspieles, und er sagt, dass die Mannschaften es „im zweiten | |
Durchgang“ gemächlicher angehen ließen. Wie gesagt: Ich pack’s nicht. | |
Seit ich vor Jahren einmal den betäubenden Bullshit dieser Formulierung | |
gerochen habe, kann ich nicht mehr darüber hinweghören, wie bei einem | |
tropfenden Wasserhahn. Immer, wenn sie fällt, hallt sie nach in meinem | |
Hirn, und dann muss ich einem in Reichweite befindlichen Spezl, den das | |
alles dann immer zuverlässig nicht so aufwühlt wie mich, ihren | |
tiefliegenden Unsinn verdeutlichen. | |
Also. Auf die Gefahr hin, das Offensichtliche zu konstatieren: Es handelt | |
sich meiner Ansicht nach beim Teilabschnitt eines Sportwettbewerbes um | |
einen „Durchgang“, wenn darin eine Starterliste abgearbeitet wird und die | |
Teilnehmer – gewöhnlich einer nach dem anderen – eine mehr oder weniger | |
klar umgrenzte Handlung, einen Bewegungsablauf oder eine Übung ausführen. | |
Wenn alle Skifahrer einmal runtergesaust sind. | |
Wenn alle Diskuswerfer ihren zweiten Wurf machen. Wenn alle Dreispringer | |
zum dritten Mal dreispringen. Wie abwegig es ist, den Ausdruck „Durchgang“ | |
auf den laufenden Prozess eines Fußballspiels anzuwenden, also einen sich | |
über 90 Minuten entwickelnden linearen Ereignisfortgang, der lediglich | |
durch eine Pause in zwei Hälften geteilt ist, wird klar, überhöht man ein | |
Match, wie es ja gern getan wird, zu einem „Drama“ resp. „Krimi“. | |
Es wäre, wie wenn ich aus dem Foyer zurück ins Theater gehe, um mir den | |
zweiten Durchgang von „Hamlet“ anzuschauen. Oder wenn ich die Platte | |
umdrehe für den zweiten Durchgang von „Rubber Soul“. Oder hier: „Das | |
Imperium schlägt zurück“, der zweite – Verzeihung: fünfte – Durchgang … | |
„Star Wars“. | |
Es ist einfach so blöd, und ich begreife nicht, wie einem – gängige | |
Fußballreporterfloskeldrescherei mal dahingestellt – ein Ausdruck, der dem | |
Wesen dessen, mit dem man sich da beschäftigt, so essenziell widerspricht, | |
derart routiniert über die Lippen gehen kann. Steffen Simon, gehen Sie mit | |
gutem Beispiel voran: Sie müssen bitte aufhören, die Spielabschnitte von | |
Fuß- und anderen Ballspielen „Durchgänge“ zu nennen. Vielleicht ziehen da… | |
die Kollegen nach und alles wird zumindest ein BISSCHEN besser. | |
6 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Josef Winkler | |
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